Das erste Gespräch zwischen exponierten Personen der Protestbewegung und der Gleisdorfer Wirtschaft hat nun doch nicht stattgefunden. Schade! Na und? Das ist auf jeden Fall ein Zwischenergebnis am Beginn eines Weges. Wenn sich zwei so heterogene Gruppen mit deutlich kollidierenden Interessen verständigen sollen, ist auch doch zu erwarten, es wäre ein schnelles Ergebnis möglich.
Gemeinderat Wolfgang Weber (ÖVP) hat diesen Abbruch auf Facebook ausführlich kommentiert und darin einige Ansätze für nächste Schritte geboten. Ich finde es wichtig, daß allfällige Häme in den Kommentaren sich in Grenzen hielt. Zurufe wie „Feige Bagage!“ stören und belasten nur die Arbeit an einer brisanten Konfliktsituation.
Marie-Theres Zirm von der Agentur cardamom, die mit dem Thema Erfahrung hat, notierte: „…dann braucht es vielleicht einen ‚neutralen‘ Ort, wo sich alle Seiten geladen und gehört fühlen können? Diese Orte sind nicht leicht zu schaffen… Aber darum geht es wohl mehr denn je… Abwertungen hin und her bringen uns allen gemeinsam wenig…“ Also! Geht doch!
Ich meine: es geht um nächste Schritte und ein erster Fehlschlag bedeutet wenig, wenn man ihn als Erfahrung nutzt. Unternehmer Ewald Ulrich kommentierte die Protestveranstaltungen erneut in folgendem Sinn: „Das hat mit Freiheit und Liebe nichts mehr zu tun. Es reicht!“ Weber erwiderte: „ja, aber wem sollen wir das sagen, um etwas zu bewirken?“ Also! Geht doch!
Nämlich darauf hinzuweisen, daß die Suche nach geeigneten Personen für Verhandlungen noch nicht weit gediehen ist. Die zwei bisher genannten Aktivistinnen waren im Fokus, weil sie sich selbst in den Fokus gerückt haben. Ich hab in der Glosse #22 („Gegen etwas? Für etwas!“) skizziert, was ich für einen wesentlichen Unterscheid zwischen Prediger und Verhandler halte. Der Modus „verkünden statt begründen“ paßt für die Straße und zur Mobilisierung, paßt nicht zum Verhandlungstisch und zum Aushandeln von Kompromissen.
Was für ein Konflikt ist das?
Außerdem fehlt mir im bisherigen Verlauf ein meiner Meinung nach entscheidender Punkt. Die Gleisdorfer Unruhe ist kein Konflikt zwischen a) Protestbewegung und b) Gleisdorfer Wirtschaft. Das ist ein Konflikt zwischen a) Protestbewegung und b) Gleisdorfer Gemeinwesen. Daher sollten sich also auch noch andere zuständige fühlen, zur Lösung des Konfliktes Beiträge zu leisten.
Kulturreferent Karl Bauer ist in diesem Sinn aktiv geworden; siehe meine Glosse #21! Wenn zum Beispiel FPÖ-Politiker Halard Lembacher a) den Rücktritt von Weber fordert und b) vor allem Kritik austeilt, tut er zweierlei und beides belastet diese heikle Phase der Konfliktbewältigung völlig unnötig.
Erstens stellt er eine unsinnige, weil völlig unverhältnismäßige Forderung. Ich hab zwar Webers Verhalten in der Anbahnung jenes Gespräches auch kritisiert (Siehe dazu meine Glosse #20!), aber das als Rücktrittsgrund zu betonen ist völlig überzogen und politischer Mumpitz.
Zweitens drückt Lembacher sich momentan noch vor einer Anforderung, die alle (!) Parteien im Rathaus betrifft, darüber hinaus auch alle anderen Instanzen der lokalen Gesellschaft. Damit meine ich: nützliche Beiträge, den Konflikt etwas zu beruhigen, die Probleme zu sortieren, zu bearbeiten und schließlich ein Ende der Konfliktsituation herbeizuführen, was wohl kaum ohne den einen oder anderen Kompromiß gehen wird.
Ein Stadtpolitiker, dem das nicht klar ist und der sich damit begnügt, Mühen und Fehler anderer Politiker hervorzuheben, statt in dieser schwierigen Phase etwas Nützliches beizutragen, sollte eventuell sein eigenes Mandat überdenken.
Es geht alle an!
Ich finde, die Lösung des Konfliktes kann nicht bloß den Wirtschaftstreibenden abverlangt werden. Sie müßte als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden. Ich hab oben betont, ich sehe es derzeit als Konflikt zwischen der a) Protestbewegung und b) dem Gleisdorfer Gemeinwesen. (Darin steckt auch ein demokratiepolitischer Konflikt.)
Die heterogene Zusammensetzung der Protestbewegung macht es sehr schwierig, Ansprechpersonen für Verhandlungen zu finden. Dabei könnte es ja nützen, etwas Trennschärfe in den Blick zu bekommen und einen Befund über die Zusammensetzung der Protestbewegung zu erarbeiten.
Wer nun meint „Wiß ma eh schon!“, weiß offenbar gar nichts. Ich werde in der nächsten Glosse einen Entwurf vorlegen, der sich debattieren läßt, ob er schon eine Skizze des nötigen Befundes ergibt oder ob das noch gründlicher gemacht werden muß.
Wie erwähnt, ich sehe das gescheiterte Gespräch nur als eine Station in einem komplexeren Prozeß. Ich hab bisher schon einige Gespräche mit Leuten aus der Protestbewegung geführt. Bürgermeister Christoph Stark hat mich inzwischen auf eine Gespräch unter vier Augen eingeladen. Kulturreferent Karl Bauer hat eine kleinen Kreis zu einem Auftaktgespräch eingeladen, dem wohl weitere Besprechungen sowie Praxisschritte folgen sollen.
Es haben mich außerdem einige Privatpersonen, die wohl in irgendeiner Weise mit der Sache zu tun haben, um Einzelgespräche gebeten. Der Tenor: „Vielleicht hast du Lust auf einen gemeinsam Kaffee? Wuerde mich ueber einen Austausch mit dir freuen.“ Es herrscht demnach keine Agonie, es läßt sich bloß nicht zack-zack erledigen.