D:Demo #20, WWWMR 4

[Vorlauf] Ich denke, jetzt hab ich es kapiert. Anläßlich einer komplexen Konfliktsituation setzt Gemeinderat Wolfgang Weber nicht auf konventionelle Krisenintervention. Für die etwas undurchschaubare Liga, die da seit geraumer Zeit allwöchentlich zweimal durch Gleisdorf trommelt, pfeift und läutet, hat sich Weber etwas Raffiniertes ausgedacht, um das Rudel zur Raison zu bringen. Paradoxe Intervention mit Mitteln des versteckten Theaters, frei nach Augusto Boal.

So muß es sein. Das erklärt auch, weshalb mir Ex-Geschäftsfrau Kerstin Feirer via Facebook die Gouvernante macht. Zitat: „Martin Krusche dann frag ich dich, wer deiner Meinung nach mit wem worüber sprechen soll. Die Themenlage und die ProdagonistInnen sind zahlreich. Und es wird ja gesprochen. Also wie müsste das Setting aussehen, damit deiner Meinung nach was rauskommen kann?“ Oder noch pädagogischer: „Sei konkreter, damit sich auch jemand angesprochen fühlt. Du willst ja, dass sich was ändert?“

Ich EPU (= EinPersonenUnternehmen) soll also gratis liefern, was der an Budget und Fachpersonal schwere Gleisdorfer Wirtschaftsapparat bis heute nicht liefern mochte? Und niemand bietet mir ein Beraterhonorar an?

Die Weber’schen Coups
Der Wirtschaftsapparat beinhaltet einen Ausschuss für Stadtentwicklung, Raumordnung, Ortsbild und Wirtschaft, eine Stadtmarketing Gleisdorf GmbH, das Schaufenster Gleisdorf (Jahresmarketingkooperation), die Tourismusverband Oststeiermark – Geschäftsstelle Gleisdorf, das LEADER-geförderte Projekt „Regional handeln – Impulse zur Stärkung der regionalen Wertschöpfung“ und eine Teilhabe an der Businessregion Gleisdorf. Nicht eingerechnet, was noch an regionalen Ressourcen mitwirkt, etwa über das LEADER Regionalmanagement etc.

Übrigens steckte vorhin ein kleiner Scherz im Text. Kein Beraterhonorar und kein Heilsversprechen, denn für diese Art der Beratung bin ich nicht qualifiziert. Es ist natürlich Mumpitz, daß mir jemand solche Expertise abverlangen möchte, wie sie das vorhin genannte Gleisdorfer Wirtschaftsnetzwerk haben sollte, aber man merkt davon nichts. (Seien Sie versichert, ich habe andere Kompetenzen und bin sehr gut in dem was ich mache!)

Also. Gemeinderat Wolfgang Weber, der mich gelegentlich auch gerne belehrt, und die Paradoxe Intervention. Der erste Coup hat sich schon herumgesprochen. Die Weber-Partie sah den Traktorkorso angekündigt, war dann bei der Bezirkshauptmannschaft schneller, um eine eigene Veranstaltung anzumelden. Gleiche Zeit, gleicher Platz, gleiche Route.

Damit wurde Aktivistin Tanja Lederer kurz aus dem Tritt gebracht, mußte alles umorganisieren und den Korso von 16:00 Uhr auf 12:00 vorverlegen. Schlecht für die Geschäftsleute der Innenstadt, aber ein Punkt für Weber. Den vertiefte er noch, weil die „Gegenveranstaltung“ dann abgesagt wurde. Lederer postete einen Videomitschnitt des Telefonats. Ich fasse zusammen: „Hab abgesagt. Keine Zeit. Bin im Fitness-Studio.“ (Ja, der Spott hat gesessen. Zweiter Punkt für Weber.)

Und das wenige Tage vor dem angekündigten Krisen-Gespräch, welches einen Auftakt bieten soll, den Konflikt runterzufahren: um die Geschäftswelt zu entlasten und verärgerte Anrainer zu beruhigen. Sie verstehen nun, weshalb ich an „Verstecktes Theater“ im Sinne von Boal denke? Denn das kann ja kein professioneller Plan zur Krisenintervention sein.

Der zweite Schlag in die Nudelsuppe
Nun hat Lederer gemeinsam mit einer Kollegin eine Grußbotschaft an Weber ins Web gestellt. Weiß er, wer die beiden sind? Ich weiß es. Erstens sind sie erfahrene Aktivistinnen mit klaren ideologischen Positionen und einer niederen Reizschwelle, was Politiker angeht. Zweitens sind sie sauer. (Er hat sie mit der Demo-Blockade originell vorgeführt und das auch noch medial breitgetreten.)

Drittens sind sie von ihrem emotionalen Standing her, na, lassen Sie es mich etwas plüschig ausdrücken: in freier Wildbahn würden diese zwei Frauen Weber den Kopf abreißen. Er hätte dabei nur die süßlichen Grußadressen seiner Parteifreunde als Schutzschild und das dürfte nicht reichen, um diesen Wickel zu überstehen.

Nun sage ich, der ich bezüglich Psychologie ein Neandertaler bin, das ist kein optimales Setting für den Auftakt von Friedensgesprächen. Dieser Coup war im Grunde eine kleine Machtdemonstration. Später setzte Weber noch eins drauf.

Wie man in einer heiklen Konfliktlage Deeskalation einleitet, indem man eine Machtdemonstration abliefert, hat sich mir noch nicht so ganz erschlossen. Und Webers Draufgabe? Er vertiefte den ersten Coup mit einem kühnen Aviso. Zitat: „Offenbar wurde dieser Anmeldung nun von den Demonstranten die Schuld zugeschoben, warum ihr Korso floppte.“

Dann holte er zur zweiten Machtdemonstration aus. Zitat Weber: „Inhalt dieses Gespräches ist es, dass die treibenden Kräfte der Demonstrationen einigen Unternehmern erklären sollen, warum sie ihnen permanent Schaden zufügen wollen. Termin, Ort und Spielregeln sind klar, die Zusage mittlerweile auch durch ein Video dokumentiert. Gut so.“

Ein erstes Treffen zum Auftakt von Krisengesprächen sollte auf meinem Kontinent eigentlich völlig ergebnisoffen sein. Nicht so im Weber-Universum. Er hat ein wichtiges Ergebnis schon festgeschrieben und mit der Wortwahl eine Kerl-Nummer abgeliefert, die ihn vermutlich in seinem Milieu als Kerl erscheinen läßt.

Ich, der ich aus einer Welt der Gewalttätigkeit stamme, bin dagegen sicher: Wer ein Kaliber von Rang ist, droht niemals, hat das nicht nötig, ist sogar eher zuvorkommend und läßt Opponenten oder Kontrahenten Spielraum. (Das hängt jeweils) davon ab, worum es geht.

Ich fasse zusammen: zwei einseitige Machtdemonstrationen, um Krisengespräche zur Deeskalation der Gleisdorfer Unruhe einzuleiten. Weber betonte auch noch, was für ein harter Kerl er sei. Zitat: „…denn man kann sich vorstellen, wenn sich diese hasserfüllten Aktionen nicht gegen mich, sondern gegen andere Gleisdorfer Unternehmer ergossen hätten. Auch wenn ich zugebe, dass solche Vorgänge bei mir durchaus Spuren hinterlassen, dennoch: ich kann das aushalten, mein wirtschaftlicher Fokus liegt woanders. Für andere hätten solche Anschüttungen wohl weit schlimmere Folgen gehabt.“

Ich halte für möglich, daß es ihm gefiel, zwei Frauen gegenüber so eine Kerl-Nummer abzuliefern. Nun muß ich ja nicht recht behalten. Aber wie oben erwähnt, und wenn ich metaphorisch bleibe: in freier Wildbahn würden diese zwei Frauen ihm vermutlich den Kopf abreißen. Schauen wir also, dann sehen wir schon. Donnerstag, der 24.2.22 ist nah.

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Postskriptchen
Ich werde noch erläutern, warum ich auf diesem Feld zwischen Predigern und Verhandlern unterscheide und was das jeweils meint. (Mit Predigern zu verhandeln halte ich für inkompetent.) Von einem Verhandler und von ganz konkreten Punkten der Protestierenden konnte ich schon am 3. Februar berichten, gestützt auf öffentlich einsehbare Inputs der Person: „Der Qualitätssprung“.

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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