Die Gleisdorfer Unruhe geht offenbar in eine Verlängerung. Sollte sich diese Situation deeskalieren und letztlich auflösen lassen, wird es bei allen Beteiligten an einigen Stellen der Kontroverse einen Ebenenwechsel geben müssen. Wer fühlt sich nun in Gleisdorf zuständig, diesen Ebenenwechsel a) zu entwerfen und b) einzuleiten?
WWWMR nehme ich als Kürzel für „Wolfgang Weber, wir müssen reden“. Das müßte – um inhaltlich etwas zu erbringen – nicht via Massenmedium (Facebook) stattfinden und nicht vor Publikum. Ich hatte schon andere Optionen vorgeschlagen.
Einen diese Vorschläge konnte ich umsetzen, siehe dazu: „Aber er muß doch einsehen…“ (Intrada: über das Reden). Der andere, zugleich an Karl Bauer gerichtet, blieb irgendwo in der Luft hängen und bis heute unrealisiert. (Beide sind Gleisdorfer Gemeinderäte, Weber mit Wirtschaftsschwerpunkt, Bauer Kulturreferent.)
Zur Sache
Aktueller Anlaß für diesen Text ist Webers Facebook-Kommentar zu einer Protestkundgebung in Gleisdorf. Er postete unter anderem: „…und legten damit das wirtschaftliche Leben in der Stadt am Nachmittag lahm…“
Ich wandte ein, daß es zwar zu Behinderungen des öffentlichen Lebens und des Geschäftsganges gekommen sei, daß aber von „lahmlegen“ keine Rede sein könnte. Daher: „ich finde, man sollte seine opponenten in einer kontroversiellen debatte mit genauigkeit würdigen und damit auch die eigene position aufwerten.“ (Genauigkeit im Beschreiben was der Fall sei, statt Polemik.)
Das bringt mich zum ersten Teilthema, über das ich gerne Konsens finden würde. Wir leben in einer repräsentativen Demokratie. Das bedeutet unter anderem, den gewählten Mandatarinnen und Mandataren sind erhebliche Mittel und allerhand Wirkmöglichkeit anvertraut worden. Deshalb darf ich von ihnen mindestens zweierlei erwarten. Sachkompetenz für das ihnen überlassene Ressort und tadelloses Benehmen im öffentlichen Auftritt.
Privat mag jeder Menschen denken und sagen, was er will. Aber ob nun Gemeinderat oder Landtagsabgeordneter: Spöttelei, Herablassung, zynisches Sätzchen gegenüber Andersdenkenden, wenn das via Massenmedium (Z.B. Facebook) abgehandelt wird, werte ich es als unethisches Verhalten.
Das ist nicht akzeptabel. Und es ist kontraproduktiv, weil es im Streitfall keine nächste Ebene eröffnet, wo auf Seiten der Demonstrierenden die Polemik ja dominiert. Wer also im Rathaus auf dieser Ebene bleibt, sollte eventuell klären, ob er diesem Konflikt gewachsen ist.
Zum Thema gehört auch, daß ein Funktionstragender, wenn er als Opinion Leader auftritt, fähig sein sollte a) Argumente zur Sache und b) Argumente zur Person zu unterscheiden. Was nun mich und Weber angeht, wir hatten umgehend Dissens und waren in Bestzeit von Null auf Kontroverse. Gut. Es läßt sich ja sachlich klären, was der Fall war, ob Webers Befund stichhaltig ist und verifiziert werden kann, ob mein Appell um Genauigkeit seine Berechtigung hat. (Ich werde das in einer Fortsetzung noch detailliert durchnehmen.)
Die Frage der Diskursfähigkeit
Ich fand bemerkenswert, daß Weber mir sehr schnell meine Urteilskraft absprach, daß ihm außerdem Sekundanten zur Seite sprangen, die erstens mich als Person und zweitens meine Ansichten als kindlich und irrelevant markiert haben:
+) Zitat Franz T.: „Wenn man selbst im Traktor sitzt ist man vielleicht aus kindlicher Aufgeregtheit für andere Perspektiven blind.“
+) Zitat Hubert K.: „Da sitzt einer am Traktor bei einem Pläuschchen mit dem Fahrer (Scheuklappen aufgesetzt)…“
Ich werde hier noch darlegen, warum ich nun zum wiederholten Mal Stunden auf dem Traktor verbracht habe und weshalb das kein „Pläuschchen“ war. Daraus wird sich dann herleiten lassen, was derzeit sehr wahrscheinlich Webers zentraler Trugschluß im Umgang mit diesem Konflikt ist. Denn eines sollte unter uns älteren Herren langsam klar sein: Unüberprüfte Annahmen blockieren jede Lösung eines Konfliktes.
Auf all das komme ich später noch zurück. Vorab der zweite Aspekt, den ich in der Sache für hochrangig halte. Wir sind eine durch die Corona-Krise in ihrem sozialen Frieden erschütterte Gesellschaft. Wir verlieren dabei alle Geld und Annehmlichkeiten. Wir ringen im besten Fall um neue Möglichkeiten, mit dieser Vielfalt an Mißtrauen, Kummer und Zorn in ruhigeres Fahrwasser zu gelangen.
Die ÖVP, der Weber angehört, hat uns – nebst einigen anderen Formationen – die letzten paar Jahre nicht gerade mit Vertrauenswürdigkeit und Good Governance verwöhnt. Wenn also die Gleisdorfer Unruhen sich vorerst nicht beruhigen wollen, dann verbietet ein Bemühen um Lösungen jegliche alte Funktionärsherrlichkeit, jeglichen Zynismus, Herablassung aller Arten. Das versperrt uns den nötigen Ebenenwechsel im Umgang mit dieser Protestserie.
In der nächsten Glosse möchte ich die Stichhaltigkeit der Behauptung „und legten damit das wirtschaftliche Leben in der Stadt am Nachmittag lahm“ untersuchen.