(Beiträge und Fragen zu einer nächsten Kulturpolitik)
Im vorigen Eintrag war zu notieren: „Ich meine, wir sollten das Jahr 2022 für eine Bestandsaufnahme nutzen. Wo steht die Steiermark kulturpolitisch? Welche Optionen stehen zur Debatte? Wo möge die Reise für welchen Teil des Kulturbetriebs hingehen? Im Land und beim Bund stellt man sich solche Fragen ja aktuell.“
Land und Bund? Meine diesbezügliche Glosse #45 stammt vom 25. Oktober 2021. Da war schon klar, es gebe einen „Kick-Off zur Kunst- und Kulturstrategie 22“, umgesetzt vom „Team Strategie Kunst Kultur 22“ des Bundesministeriums. Das hatte mir Team-Mitglied Lorenz Birklbauer per Email bestätigt.
Am 18. Dezember 2021 konnte ich in „Gleisdorf: Betrachtungen #13“ über die Steiermark notieren, es ginge bei Landeskulturreferent Christopher Drexler gerade um die Kulturstrategie 2030 der Abteilung 9 des Landes: „Wir sind gerade in einer ersten Planungs-, und Filterungsphase nach den Bezirksgesprächen in den steirischen Regionen.“ (Mag.a Petra Sieder-Grabner)
Ist jemand überrascht, daß ich seither keinerlei diesbezügliche Informationen mehr erhalten habe? Und das, obwohl es in Gleisdorf eine Konferenz zur Sache gab, an der laut Doodle-Vermerk keine zehn Leute beteiligt waren.
Das bedeutet unter anderem, der „Kulturpakt Gleisdorf“, den Kulturamtsleiter Gerwald Hierzi im Frühjahr 2015 unter seine Kontrolle gebracht hat, liegt kulturpolitisch im Koma. (Der neue Gleisdorfer Kulturreferent Karl Bauer ist erst so kurz im Amt, daß dieser Status nicht auf sein Konto geht.)
Die oben zitierte „Gleisdorf: Betrachtungen #13“ ist ferner ein Querverweis auf die Gleisdorfer Unruhe, eine Serie von Protestmärschen zum Thema Corona, die euphemistisch als „Spaziergänge“ promotet werden. Diese Protestbewegung bringt inzwischen auch Putinisten, Trump-Verehrer, Identitäre, Herbert Kickl-Gefolgschaft und andere Kräfte in der Stadt zur Wirkung.
Das geistige Klima, der öffentliche Diskurs und der öffentliche Raum Gleisdorfs sind davon derzeit geprägt. Wie irritierend, daß es darauf keinerlei politische oder kulturpolitische Reaktion gibt und etwa der „Kulturpakt Gleisdorf“ mit was auch immer beschäftigt ist, aber damit nicht.
Hier werden aktuell und tageweise extrem lautstark unser Menschenbild, unser Weltbild und unsere Zukunftsfähigkeit verhandelt, was sich medial entsprechend niederschlägt.
Stets dabei die Behauptung, Österreich sei eine „Diktatur“.)Wenn das keine kulturpolitischen Agenda sind, was dann? Zur Genese des „Kulturpakt Gleisdorf“, einst ein Projekt der Zivilgesellschaft, siehe:
+) Der Pakt, eine Transformation I
+) Der Pakt, eine Transformation II
Was da an Basis primärer Kräfte des regionalen Kulturgeschehens anfangs in einen mehrjährigen Prozeß von regelmäßigen Arbeitstreffen und entsprechenden Outputs gebracht wurde, ist heute komplett weg. Siehe dazu auch:
+) Ein temporärer Kulturpakt (Wie es mit dem Kulturpakt Gleisdorf im Jahr 2011 begann)
+) Die permanenten Arbeitsreffen (abgeschafft)
Gut, vielleicht ist das genuiner Ausdruck einer Krisis, von der wir noch nicht wissen, ob wir sie kulturpolitisch a) Richtung Katharsis oder b) Richtung Katastrophe führen. (Krise, das heißt ja bloß Höhepunkt eines Umbruchs.)
Mit der eingangs zitierten Glosse #60 und der Frage „Ist Kunst politisch?“ soll auf jeden Fall deutlich werden, daß wir diese Zusammenhänge überprüfen und aktuell klären müssen. Ich betreue dabei für Kunst Ost derzeit vor allem diese beiden Themen-Leisten:
+) The Long Distance Howl
+) Diskurs: Demokratie
Davor hab ich derlei Fragen zum Beispiel hier gestellt und bearbeitet:
+) Ein Feuilleton (Sammlung kulturpolitischer Beiträge)
Was nun die Kleinregion Gleisdorf und den Bezirk Weiz angeht, markante Felder der Oststeiermark, ist das auch zur Frage nach dem Denkmodell „Zentrum/Provinz“ aktuell zu debattieren und zu klären. Dabei unverzichtbar: Was meinen wir mit dem Begriff „Kunst“ und was sind – im Unterschied dazu – Voluntary Arts, Bastelei, Garten-Deko etc. Fragen, die geklärt werden müssen, wo es um die Verwendung öffentlicher Gelder geht.
— [The Long Distance Howl] —