Diskurs: Demokratie #3, die Republik

In meinem Logbuch war kürzlich zu notieren: „Ich bin ein Mann der Republik! Und zwar auf Inhalte und Prinzipien gestützt, die eine Sympathie für Konzepte von Putin, Orban Thiel, Trump und Xi Jinping kategorisch ausschließen. Wir müssen also reden! (Begründen, nicht verkünden.)“

Die 1980er: Dialektik-Übung mit Musiker Jom Cogan (li.).

Ich sollte das erläutern. Als ich im Jahr 1956 zur Welt kam, lag der Krieg erst gut ein Jahrzehnt zurück. Ich wurde in eine brutalisierte und von allerhand Traumata zerrüttete Gesellschaft geboren. Ich habe als Kind ein Maß an Gewalttätigkeit kennengelernt, für das ich heute bemüht wäre, solchen Leuten Knast zu verschaffen. (Damals war es üblich, daß sich Menschen einfach wegdrehten, abwandten.)

Etliche meiner Leute sind keine Mitläufer, sondern Täter gewesen. Manche von ihnen waren aufrechte Nazi bis zu ihrem späten Tod. Keine aufgeplusterten Wichtigtuer, wie etwa Gottfried Küssel und dessen Entourage, sondern joviale Menschen, unternehmerisch erfolgreich, smart und – anders als die betulichen Neonazi – eben die Originale: Menschen aus dem Herzen der Finsternis.

Als am 25. Oktober 1955 der letzte Besatzungssoldat Österreich verlassen hatte, verblieb die Republik zu meinem Glück auf der westlichen Seite des Eisernen Vorhangs. Das heißt auch, wir wurden als Teil des westlichen Europas ein sicherheitspolitisches Protektorat der USA, während die verfassungsgemäße Neutralität des Landes eine Nato-Mitgliedschaft ausschloß.

Klärungsschritte
Vor diesem Hintergrund wurde ich erwachsen und konnte nur langsam entschlüsseln, womit ich es da bei meiner Familie, dem ganzen Clan und in mir selbst zu tun hatte, denn da war eine Menge Doppelbödigkeit. Da war allerhand Umdeuten von unzähligen Details, um das Bild unsers Clans zurechtzuklittern.

Eines Tages schien mir klar, wie sich das alles zu einer kohärenten Geschichte fügt. Mein Großvater Richard war Soldat des Kaisers gewesen, mein Vater Hubert Soldat des Tyrannen Hitler und ich ein Soldat der Republik. (Ich bin übrigens nie ein Pazifist geworden.)

Die 1970er: Solche Posen brauchen zur Entwöhnung einige Zeit.

Mir wurde über Lektüre von Geschichtsbüchern bewußt, daß wir 1950er-Jahrgänge zu Glückskindern der Historie gerieten. Keine einzige Generation vor uns konnte von der Geburt weg in so einem Maß an Sicherheit, Freiheit und zunehmendem Wohlstand aufwachsen. Wir waren die erste Alterskohorte der Menschheitsgeschichte, der das auf so breiter Ebene gegönnt blieb.

Ich habe mit der Zeit begriffen, wie grundlegend der Gewaltverzicht für eine Republik ist und wozu wir dem Staat das Gewaltmonopol übertragen haben. Ich stehe im Lager derer, die eine repräsentative Demokratie vorziehen. Deshalb erscheint mir die Gewaltenteilung unverzichtbar: Legislative, Exekutive und Judikative. Dazu die Presseleute als vierte Gewalt im Staat.

Jede dieser Institutionen mit dem Auftrag, über die anderen wechselseitig Kontrolle auszuüben. Wer behauptet, all diese Leute hätten sich kaufen lassen, ist ein Dummkopf. So ein Coup ist einfach nicht machbar, außerdem nicht zielführend, wie die Ablaufdaten aller uns bekannten Tyranneien der Neuzeit belegen.

Das Politische
Daher haben wir politische Parteien. Wer meint, die politische Verfaßtheit Österreichs mit Gewalt auf der Straße ändern zu können, sollte sich auf ein Rendezvous mit trainierten und gut koordinierten Polizeikräften einstellen. Das ist meine Präferenz.

Für diese Republik als zeitgemäße Demokratie ist Engagement nötig. Ich verstehe, daß manche Kreise es gerne anders hätten. Dann müssen wir uns in der Sache eben auseinandersetzen. Wer aber in privater Initiative Gewalt sät, wird die Funktion des staatlichen Gewaltmonopols ergründen müssen.

Denn wer die Regierung ändern oder was auch immer in dieser Republik umbauen will, hat die Freiheit, dazu ein Programm zu erarbeiten, eine Anhängerschaft zu gewinnen, eine Partei zu gründen und für Mehrheiten zu sorgen, um sich damit einer geordneten Wahl zu stellen.

Was Oma Marianne in der Bettzeuglade für mich aufbewahrt hatte.

Wer das mit Gewalt abkürzen möchte, steht im Lager des Faustrechts und hat mich zum Feind. Das ist kein Weg für die Demokratie und würde die Fundamente unserer Republik beschädigen. Wer unsere Gegenwart für den Zustand einer Diktatur hält, dabei alle Kräfte, die solchem Mumpitz widersprechen, als „Lügner“ abtut, ist für mich nicht diskurswürdig. Solche Privatmythologien nehme ich zur Kenntnis, aber ich kann sie nicht diskutieren.

Ich bleibe bei diesem Motto: Begründen, nicht verkünden! (Staat und Religion sind aus guten Gründen getrennt, der Staat ruht nicht auf Glaubenssätzen, sondern auf rationalen Vereinbarungen.)

Inhalte und Regeln müssen zur Debatte stehen, müssen kritischen Diskursen unterworfen werden können. Unsere Verfassung drückt einen breiten Konsens aus, der nicht beliebig übergangen werden kann. Weil ich das für angemessen halte, bin ich ein Mann der Republik; nämlich dieser Republik Österreich.

+) Vorlauf | Fortsetzung
+) Die Betrachtungen im Überblick
+) 12. Jänner 2022: „Ich bin ein Mann der Republik!“

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
Dieser Beitrag wurde unter Corona, Feuilleton abgelegt und mit , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.