Ich rufe Irmgard Eixelberger stets an, bevor ich mich zu ihr auf den Weg mache. Ein kleines Aviso, denn ich weiß nie, wann sie unterm Tag gerade zu ruhen wünscht. Es geht mir ebenso. Unerwarteten Besuch würde ich im ersten Moment als störend empfinden. Das hat gute Gründe.
So kommt es, wenn man viel für sich ist, in der Stille, in seine Themen versunken. Da verschiebt sich mitunter der Tagesablauf, die Nacht wird zum Tag. Man ist von den konventionellen Zeitschemata im Tagesablauf entbunden.
Ich hatte mit Eixelberger vereinbart, daß ihre Arbeit ein Thema für die Dezember-Episode im „Zeit.Raum“ liefert. Sie bevorzugt beim Blick auf die Welt einen breiten Horizont. Also: Advent. Ich versteh schon, daß viele Menschen heuer mehr denn je diesen ganzen Glitzerkram haben möchten, Lametta und nette Musiken, ganz egal, wohin man geht. Ich aber nicht. Mir ist Eixelbergers Verismus viel lieber.
Diese Zuwendung zur Welt, wie sie ist, was dann in der Umsetzung ihrer Figuren ohnehin eine Ästhetisierung erfährt. Viele begreifen nicht, daß die künstlerische Arbeit gewöhnliche eine Art der Zärtlichkeit ist, die man auf sein Thema verwendet, eine Innigkeit. Dazu eben nicht nur, aber gelegentlich auch: eine Art, sich selbst zu all dem, zu den bitteren Belangen ebenso, in Beziehung zu setzen.
Das heißt unterm Strich: sich ausliefern. Man ergründet sich zwangsläufig selbst, wenn man erkundet, was uns Menschen als Spezies und als Gemeinschaft ausmacht. In der Kunst zu leben ist eine Existenzform, die es nahelegt, sich in diese größeren Zusammenhänge zu begeben und dabei möglicherweise selbst sehr klein zu werden, denn so groß kann das Bild von der Welt ausfallen, in dem jemand kurz steht, sich umsieht. Das ist eine Möglichkeit der künstlerischen Arbeit.
Eixelberger hat heuer ihren neunzigsten Geburtstag absolviert. Dabei fällt mir auf, daß wir heute keine sozialen oder kulturellen Konventionen haben, um jenen Schatz zu nutzen, für den 90 Jahre waches Leben stehen. Dieses dahinschnöselnde Gemeinwesen bietet mir reichlich Kurzweil, Events, nette Abende, aber kaum etwas, das a) sehr in die Tiefe ginge und b) aus den vorhandenen Kompetenzen vor Ort schöpft.
Ist das tatsächlich Stand der Dinge und Geist der Zeit? Ich will es nicht recht glauben. Bloß weil viele gesellschaftliche Funktionen mit schnöselhaften Personen besetzt sind, denen weder Wissenserwerb noch ein reges geistiges Klima erkennbar Freude bereiten würde, heißt das ja nicht, es wäre den Menschen egal, ob es zur Konsumation auch Möglichkeiten der Partizipation gibt.
Die Oststeiermark ist in dieser Hinsicht sehr träge geworden. Naja, schauen wir einmal, dann sehen wir schon. Nun also demnächst eine Eixelberger-Episode im Gleisdorfer „Zeit.Raum“.
+) Episode VIII: Not hat kein Ablaufdatum