Ich wurde nun mehrfach gefragt und gebe gerne Auskunft. Nein, ich fürchte das Virus nicht. Ja, ich bin geimpft. Dreifach. Weshalb? Weil ich bei meinem Wissenstand entschieden hab, daß ich im Lager der Geimpften sein will, um für den Notfall einer Infektion plus Erkrankung bessere Karten zu haben. Ich kenne Menschen, die sind vom Gegenteil überzeugt. Da haben wir eben Dissens. Na und?
Zwischenbemerkung: Ich schreibe hier nur, was ich für gesichtetes Wissen halte. Wer meint, es besser zu wissen, sollte mich nicht mit Kolportage behelligen, sondern präzise Aussagen machen, eventuell Quellen nennen. Alles andere, vor allem das endlose Raushauen von Memes mit flotten Sprüchen, ist für mich Bassena-Tratsch. Bedeutungslos.
Dissens ist normal und förderlich
Wir werden, wie schon immer im Leben, auch einander widersprechende Ansichten und Informationen finden. Wer unsere Demokratie zur „Diktatur“ erklärt, um so der eigenen Auflassung mehr Gewicht zu verleihen, hat jedes Recht auf solche Privatmythologie.
Wissenschaft handelt freilich davon, daß wir uns in laufenden Bemühungen „nach oben irren“. Es gilt als gesichert, was in einem kritischen Diskurs herausgearbeitet wurde; aber immer nur so lange, bis neue Fakten älteres Wissen falsifizieren. Das heißt, bei jedem Wissen wird damit gerechnet, daß es von neuen Erkenntnissen entkräftet wird.
Wahrheiten, die nicht angefochten werden können, finden wir in der Religion. Das ist ein anderer Teil der Conditio humana. Es hat gute Gründe, daß wir in Europa Jahrhunderte daran gearbeitet haben, Religion und Staat zu trennen.
Zur Sache!
Warum macht mir individuell das Virus keine Sorgen? Ich verfolge die Sieben-Tage-Inzidenzen, hab dadurch eine Vorstellung, welche Tendenzen das Verhalten der Menschen in meiner Gegend hat und wie sich das in neuen Corona-Erkrankungen ausdrückt.
Inzidenz benennt nicht die Zahl von Infektionen, sondern von amtlich vermerkten Neuerkrankungen. Das liefert mir folgendes Bild: in meinem Bezirk ist die Chance auf realen Virenkontakt für mich nahe Null. Ich müßte schon außergewöhnliches Pech haben oder mich wie ein Agent der Blödheit benehmen, um mit dem Corona-Virus überhaupt in Kontakt zu kommen.
Falls ich Kontakt habe, was bei mir extrem unwahrscheinlich ist, bin ich infiziert. Dann bleibt die Frage, wie wirksam die von mir aufgenommene Virenmenge ist. Vielleicht eine müde Partie, die mein Immunsystem ohne viel Fackeln löscht. Zack! Aus! Dann wäre es nicht einmal wie eine Grippe, dann wäre gar nichts, als ein paarmal durch die Nase schniefen.
Falls ich aber infiziert bin und erkranke, was meint das? Der Körper wehrt die Virenattacke ab. Ich saß grade gestern mit zwei interessanten Männern zusammen, einer war lange mit der Entwicklung von Krebsmedikamenten befaßt, der andere hatte bis zu seiner Pensionierung eine Apotheke. Sachkundige Leute.
Ich fragte zum Beispiel: „Diese Virus ist doch nicht wie Schlangengift, das mich aktiv angreift, wenn ich gebissen wurde?“ Nein, ist es nicht. Gift zersetzt die Zellen. Das Virus will bloß andocken, um sich aus der Zelle des Wirts jene Stoffe zu holen, die es selbst nicht hat, aber braucht, um sich zu reproduzieren.
So ist es! Der Abwehrkampf meines Körpers müßte nun verhindern, daß sich diese Viren in mir vermehren und dabei diverse Körperfunktionen belasten, stören, auch beschädigen oder ruinieren. Klar? Klar!
Das Virus: ein lahmer Sack
Das Virus kann mich also nicht anhupfen, sondern ich muß es aufnehmen. Es kann von sich aus ja gar nichts, bevor es in einen Wirt eindringt. Ist das Virus in meinem Körper, kann es mich nicht attackieren, will es auch nicht, sondern „hat ein Interesse“, daß ich lebe und das Virus weiter bewirte. Außerdem bin ich dann ein Virentaxi. Ich trage die Viren weiter. Sie selber können das ja nicht; auf Reisen gehen. Sie müssen befördert werden.
Was bringt mich denn dann in Probleme? Was heißt erkranken? Es ist der Abwehrkampf meines Körpers, der mich – je nach Schwere des Verlaufs – belastet, beschädigt, unter Umständen sterben läßt. Ich frage: „Aber so gesehen kann ich ja gar nicht an Corona, sondern nur mit Corona sterben? Das Virus tötet mich nicht, aber es löst körperliche Schäden aus, die ich eventuell nicht überlebe?“
Ja, so könnte man sagen, meinten die beiden Männer. Und die Impfung? Die soll bewirken, daß mein Immunsystem im Falle einer Infektion möglichst schnell anspringt, die eingedrungenen Viren möglich zügig angegriffen und zerstört werden, so daß sie sich a) nur möglichst gering vermehren können und daher b) der Abwehrkampf meines Körpers so kurz und gering wie möglich ausfällt.
Den Abwehrkampf eröffnet mein Körper natürlich auch ohne Impfung. Es ist – wie erwähnt – die Frage: a) wie schnell und b) wie effizient kommt mein Abwehrsystem in Gang, vor allem aber: was sind c) seine Kosten bezüglich der Unversehrtheit meiner Organe, aller Körperregionen, die dabei geschädigt werden könnten? (Gute Frage!)
Alles harmlos?
Wer da einwirft: „Ist eh nur eine Grippe!“, wird wohl keine Grippe finden, deren Abwehr im Körper eine solche Vielfalt von Schäden bewirken kann und meist derlei Langzeitfolgen hat; „Long Covid“. Die Verwüstung im Abwehren von Covid ist offenbar größer und umfassender, als jede uns bekannte Grippe es bewirken könnte. (Sie wissen es besser? Fein! Wo kann ich das nachlesen?)
Aber wenn das Virus überleben soll, muß es in diese Richtung mutieren, denn nur wenn es seinen Wirte nicht tötet, sondern bestenfalls etwas auslöst, was einer Grippe gleichkommt und vom Wirt gut überstanden werden kann, hat dieses Virus eine Zukunft.
Daher ist logisch: wird mein Körper das Virus ohne große Anstrengung los oder krieg ich im Abwehrkampf bloß einen leichten Verlauf, kann eine Grippe im Vergleich weit schlimmer zu durchleben sein. Das ist unbestreitbar. Wer nun sagt: „Das schaffe ich alles ohne Impfung mit einem starken Immunsystem!“, bravo! Soll so sein! Dafür gibt es auch Beispiele. Möge also das Pech eine schweren Verlaufs ausbleiben! (Blöd, wenn es härter kommt.)
Allerdings! Nach heutigem Wissensstand gibt es vorerst keinen Weg zu einer lebenslangen Immunität gegen das Corona-Virus. Auch wer erkrankt und genesen ist, bleibt nicht immun. Wer der Wissenschaft mißtraut, braucht eventuell mehr als einmal Glück bei allfälliger Neuinfektion. (Kann ja so kommen, es gibt ausgesprochene Glückskinder.)
Standortfragen
Ich stehe eben in einem anderen Lager, traue der Impfung zu, daß ich im Falle einer Erkrankung bessere Karten hab. Zugleich sagt mir schon die regelmäßige Beachtung der Inzidenzzahlen, daß ich – wie erwähnt – nahe Null Gefahr hab, überhaupt Virenkontakt zu erleben. Auch weil ich einige Vorsichtsmaßnahmen pflege. Es gibt Leute, die finden das übertrieben. Macht nichts! Ich kennen die Intensivstation nicht aus den Medien, sondern als Patient (Verkehrsunfall). Man kann es nicht empfehlen. (Sie wissen es besser? Mir egal.)
Ich höre und lese Ansichten, daß es keine Pandemie gebe, wir über den Zustand der Intensivstationen falsch informiert würden, daß uns angeblich Pflegepersonal und medizinische Fachkräfte belügen würden. Ich lese, es sei nur mehr „eine Meinung“ erlaubt und wundere mich, wieso ich dann im Internet und auf Gleisdorfs Straßen so viele andere Meinungen vorfinde. Ein Rätsel!
Da die Politik keinen Staat im Staat zulassen kann, werde ich mit Neugier verfolgen, wie zukünftig jene handeln, die mit Gesetzen in Konflikt kommen und mit den Behörden kollidieren. Da wird es vermutlich harte Kontroversen geben.
Ich bin kein Polizist, kein Richter, ich muß das nicht lösen. Wer sich über geltendes Recht hinwegsetzt, mag das für sich als „Freiheitskampf“ deklarieren. Wir werden beizeiten klären können, ob es vielleicht doch bloß pures Faustrecht war, also eine zutiefst menschen- und demokratieverachtende Pose.
Derzeit bekomme ich ja politologische Belehrungen von Leuten, die nicht einmal Grundbegriffe haben, keine Geschichtskenntnis vorweisen können und für allerhand Obskurantismus trommeln. Schauen wir also, dann sehen wir schon noch, was dran ist.
Meine Freiheit
Es ist eine Sache, seine individuelle Autonomie zu verteidigen. Es ist eine ganz andere Sache, legitimen Kräften bei deren Arbeit an Problemlösungen in den Arm zu fallen. Wie in jeder Gemeinschaft stellen wir dabei Fragen nach Verantwortung und nach Haftung. Dem werden sich natürlich auch jene irgendwann stellen müssen, die sich jetzt zu „Rebellen“ erklären. (Wer Europas Geschichte kennt, weiß das.)
Und die Pandemie? Was wird aus der? Eine interessante Option lautet: das Virus mutiert ständig, um den Abwehrmaßnahmen diverser Wirtskörper zu entgehen. Dabei wird es aggressiver, wird es wirksamen = ansteckender. Es muß also gegenüber den Abwehrsystemen der Wirtskörper schneller agieren können, muß ständig effizienter werden. Deshalb mutiert es ja.
Das und genau das hat natürliche Limits. Das Virus kann nicht endlos beschleunigen und effizienter werden. Daher wird der Tag kommen, an dem das Virus in unseren Körpern nichts mehr holen kann. Wenn es dereinst alle Wirtskörper abwehren können, ist das Rennen gelaufen. Bleibt die interessante Frage, wer von uns dann noch dabei ist. Also, Leute, geimpft oder ungeimpft: Bon Voyage! Und bleibt gesund! Wir leben in interessanten Zeiten.