Ich hab von einem merkwürdigen Klischee-Tetris zu erzählen. Wir leben in einer Republik. Das bedeutet: Res publica = öffentliche Angelegenheit. Dazu gehören Bürgerrechte und –pflichten, was natürlich auch die Bürgerinnen meint. Wir kennen in Gleisdorf zwar die Allmende nicht mehr, aber den öffentlichen Raum. Und öffentliche Diskurse. Der öffentliche Raum, er gehört gewissermaßen uns allen, wird durch leibliche Anwesenheit zum politischen Raum.
Ebenso relevant ist, daß wir durch Medienanwendung gesellschaftliche Realität erzeugen. Genau! Was ganz unabhängig von uns der Fall ist, deckt sich nicht mit dem, was wir als gesellschaftliche Realität machen, konstruieren. Es wird durch Mediennutzung gestaltet und gewichtet, verbreitet.
Orchester wechselseitiger Abwertung
Gleisdorf erlebt derzeit eine Serie von Protestveranstaltungen. Die stören naturgemäß den gewohnten Betrieb der Stadt. Zur jüngsten Traktor-Rallye fiel mir auf, daß etliche Honoratioren der Stadt ihre Gegenpositionen vor allem ökonomisch, aber nicht politisch argumentiert haben. Das ist bedauerlich, weil eine Art Ausflucht.
Müßte sich nicht gerade etablierte Politik den Aufmärschen stellen, gerade auch dort, wo verkündet statt diskutiert wird? Brauchen wir nicht gerade in der erbitterten Unvereinbarkeit von Ansichten neue Strategien? Oder wollen wir einfach reproduzieren, was im 20. Jahrhundert Standard gewesen ist?
Das heißt, wütende Menschen, nicht unbedingt aufrechtes Wachpersonal der Sachlichkeit, machen Terz. Weil gesetzliche Mindestanforderungen erfüllt wurden, kann das nicht verhindert werden. Ja, genau! Sowas heißt Demonstrationsrecht. Wer dazu „Ja, aber…“ sagt wird sehr genau erklären müssen, wie er oder sie es mit der Demokratie hält.
Was die Wütenden vorbringen und wie sie es vorbringen, ist teilweise leicht nachvollziehbar, teilweise irrational. Ich orte auch verdeckte Intentionen und stellenweise einen Mangel an Redlichkeit. Das ist eine interessante Herausforderung.
Die Traktor-Rallye vom 17.12.2021 machte mehr als deutlich, daß hier unter anderem eine Art Klischee-Tetris abgeht. Und zwar – wie mir scheint – von allen Seiten Betroffener & Beteiligter mitgetragen; oder mindestens geduldet. Man bewirft sich gegenseitig mit Klischees und dreht die so lange, bis sie einem passend erscheinen. (Pardon, aber das ist ein Teenager-Modus!)
Dazu ein riesiges Orchester der wechselseitigen Abwertung Andersdenkender. Hier eine kleine Auswahl der milderen Zuschreibungen: „Abschaum / Chaoten / Demo-TouristInnen (sauber gegendert!) / die bezahlten Medien und deren Auftraggeber / Feisttrutschen / hirnlos / Intelligenzflüchtlinge / komplette Trotteln / kranke Politik / Narrensaum unserer Gesellschaft / Oberhetzer / Taugenichts…“
Ziele?
Was wäre nun zu stärken? Sozialer Frieden? Ein förderliches geistiges Leben in der Stadt? Beiträge zur Zukunftsfähigkeit des Gemeinwesens? Wir sind mitten in der Vierten Industriellen Revolution und erleben wirtschaftlich, sozial und kulturell enorme Umbrüche.
Können wir die Lawine, die schon abgeht, nun surfen? Wird sie uns wegreißen? Dabei sollte nun vor allem das kulturelle Leben in der Stadt Denkräume, Optionen und Erfahrungsmöglichkeiten anbieten, die sich überparteilich erkunden ließen.
Es mißfallen offenbar die aktuellen Demonstrationen vielen Leuten, wie auch mir einiges daran mißfällt. Also wollte ich annehmen, daß gesellschaftliche und politische Kräfte der Stadt zu all dem mehr oder weniger kompetente Stellungnahmen abgeben, denn die ganze Unruhe entfaltet sich nun schon geraume Zeit.
So hab ich nachgeschaut: was läßt sich finden? „Plan G Gleisdorf“ steht laut Eigendefinition mit dem G für Gleisdorf und „ist eine überparteiliche Plattform für junge Menschen mit klaren Zielen für unsere Stadt. Diese Ziele bestehen offenbar nur aus Freizeitvergnügen, ein bißl Info-Stände und… nichts. Derzeit eine gesellschaftspolitische Nullnummer: [Link]
„Der Kulturpakt Gleisdorf hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Kräfte der Region zu bündeln und durch eine gemeinsame Plattform sichtbar zu machen.“ Dazu hat dieses nunmehr Marketing-Werkzeug der Kommune anläßlich eines wichtigen Termins zur steirischen Kulturpolitik der Zukunft vor wenigen Tagen eine Bankrotterklärung vorgelegt.
Es ging um die Kulturstrategie 2030 der Abteilung 9 des Landes: „Wir sind gerade in einer ersten Planungs-, und Filterungsphase nach den Bezirksgesprächen in den steirischen Regionen.“ (Mag.a Petra Sieder-Grabner) Der Kulturpakt Gleisdorf hat… nicht abgeliefert. Und die angebliche „gemeinsame Plattform“ bleibt zum Klima und zur Situation im Raum Gleisdorf stumm, hat nichts zu sagen: [Link]
Keine relevanten Aussage (per 18.12.2021) auch bei…
+) FPÖ Gleisdorf
+) Die Grünen Gleisdorf
+) ÖVP Gleisdorf
+) JVP Gleisdorf
+) SPÖ Gleisdorf
Bis also ausreichend Einheimische aufwachen und neben larmoyanter Befindlichkeitsprosa auch was politisch verhandelbares raushauen, muß mir dieser Lärm auf unseren Straßen genügen. Aber ich bleibe zuversichtlich…