Was es wiegt, das hat’s LI: Die Causa III

(Beiträge und Fragen zu einer nächsten Kulturpolitik)

[Vorlauf] Ich hab in der zweiten Folge zu diesem kleinen Schwerpunktthema zusammengefaßt, wie sich ein Politiker, durch die Immunität eines Nationalrates gegen Einwände abgeschirmt, einigermaßen ausdauernd bemüht hat, meine Arbeit zu diskreditieren und ein regionales Kulturprojekt zu verhindern, das mit Budget und Prestige ausgestattet war.

Zwei für den Bereich zuständige Landesbedienstete hielten in der Sache damals die Füße still, zwei regionale Funktionäre fielen als Assistenten jenes Nationalrates auf. Das war kein Einzelfall. Stellt sich die Frage, wann es denn begonnen hat, daß sich in der Steiermark das kulturpolitische Klima derart abkühlte? Wurden auch andere Fälle bekannt, in denen sich sozial schwach aufgestellte Freelancers des Kunstfeldes gegen Funktionstragende wehren mußten?

Ich hab eine frühe Glosse dieser Serie, nämlich „Was es wiegt, das hat’s VII“, mit den Worten: „Meine Radikalisierung“ überschrieben. Da kommt jene Graz 2003-Kontroverse vor, die sich ab 2001 entfaltete und uns bis zum Höchstgericht brachte. Diese Auseinandersetzung wurzelte im Umstand, daß wir uns mit Wolfgang Lorenz, dem damaligen Intendanten von Graz als „Kulturhauptstadt Europas“ nicht hatten einigen können, wie mit dem Thema außerhalb des offiziellen Graz 2003-Programmes umzugehen sei. Das gab Brösel.

Davor hatte ich in der Sechser-Glosse beschrieben, wie Künstler Richard Frankenberger, ein exzellenter Lobbyist seiner Interessen, damals in ein Projekt hereinwirkte, das ich mit Künstler Hartmut Skerbisch realisiert hatte. Höchst staunenswert, wie das 2001 in der Regionalpresse dargestellt wurde; mit einigen „Alternative Facts“ unterlegt.

Quelle: Kleine Zeiung, 19.6.2001

Chefsache
In jenem Jahr war Landeshauptmann Waltraud Klasnic zugleich Landeskulturreferentin. Sie mußte sich einer Angelegenheit stellen, die in der Burg erst einmal ignoriert wurde. Durch einen kuriosen Zufall hatte ich im kulturpolitischen Programm der steirischen ÖVP entdeckt, daß für diese Publikation meine kulturpolitischen Schriften ein wenig geplündert worden waren.

Eine Person im Nationalrat, also durch Immunität gegen Einwände abgeschirmt, legte später offen, ganze Textpassagen völlig unverändert entnommen zu haben. In meinem Milieu riet man mir ab, die Sache publik zu machen. Ich würde die Landeskulturrefentin damit kompromittieren, das sei für einen freischaffenden Künstler wenig vorteilhaft.

Wir haben das damals geregelt, indem ich zwei Forderungen stellte, die erfüllt wurden. Ein Beraterhonorar für die Werknutzung und der Ansatz zu einem kulturpolitischen Diskurs auf der Höhe der Zeit. Richard Mayr, im Büro Klasnic für Öffentlichkeitsarbeit zuständig, bestätigte mir, daß man diese Forderungen akzeptiere.

Das Honorar wurde bezahlt. Was den Diskurs angeht, hatte ich einige interessante Gespräche mit dem Informatiker Wolf Rauch, damals Landtagsabgeordneter und Wissenschaftssprecher der ÖVP. Mehr wurde aus dieser inhaltlichen Arbeit leider nicht. (Ich kann mich auch nicht erinnern, daß die IG Kultur Steiermark etwas wir einen permanenten öffentlichen kulturpolitischen Diskurs eingeführt und etabliert hätte.)

Netzwerke
Ich erinnere mich, daß wir sowohl unter Kurt Flecker (SPÖ) wie auch Christian Buchmann (ÖVP) als Landeskulturreferenten solche Debatten kontinuierlich haben konnten. Siehe dazu etwa die Glosse XXXIV: „Netzwerk anno 1997“ und „Howl: Jahr 18, sieben“!

Post aus dem Büro Klasnic

Es läßt sich problemlos belegen, daß wir ab den 1990er Jahren jederzeit auf Kontinuität ausgelegte Diskurssituationen einrichten konnten, in denen mit den primären Kräften des Kulturbetriebs wie auch mit Leuten aus Politik und Verwaltung an Inhalten gearbeitet werden konnte.

Der Rückblick legt freilich die Annahme nahe, daß dieser Modus da wie dort etlichen Leuten nicht in den Kram gepaßt hat. Ich muß annehmen, daß die öffentlichen Diskurse private Partikularinteressen störten. Wie hier skizziert: spätestens ab 2001 tut sich eine Reihe von Ereignissen auf, die sehr kontroversieller Natur sind und teils in harte Konfrontationen mündeten.

Während das also in der ersten 2000er Dekade schon seine markanten Beispiele hat, leitete die Weltwirtschaftskrise im Kielwasser US-amerikanischer Malversationen ab 2008/2009 ein weit kälteres Kräftespiel ein. Damit meine ich die Ära „2010-2015-2020“, die zum Glück ganz gut dokumentiert ist. [Fortsetzung]

— [The Long Distance Howl] —

Aviso
Vorweg noch ein Zitat, das sich auf mein letztes derartiges Netzwerkprojekt bezieht, den „Kulturpakt Gleisdorf“, von dem bis heute gerne behauptet und publiziert wird, er sei eine Initiative der Stadt Gleisdorf gewesen, was unter „Alternative Facts“ fällt: „Der 2015er-Bruch. Im ersten Quartal 2015 hatte das Gleisdorfer Büro für Kultur und Marketing die regelmäßigen Plenartreffen abgeschafft, die ursprüngliche Konzeption entsorgt und den Kulturpakt Gleisdorf zu einem simplen Marketinginstrument der Verwaltung gemacht.“ [Quelle] (Diese Vorkommnisse haben dann später noch eine Rolle gespielt, als ich gegenüber dem Vorstand der IG Kultur Steiermark argwöhnisch wurde.)

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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