(Beiträge und Fragen zu einer nächsten Kulturpolitik)
Wir haben schon eine Weile keine aktuelle Debatte mehr darüber, was denn nun die „freie Szene“ sei, die „autonome Szene“, und ob es solche Felder wie Formationen überhaupt (noch) gibt. Ich zweifle stark an der Aussagekraft dieser Begriffe.
Was ich ab Mitte der 1970er als „Szene“ wahrgenommen hab, ist in verschiedenen Konjunkturen gewachsen. Ich sehe heute Aktive, die sich der „Szene“ zurechnen, aber in staatsnahen Betrieben angestellt sind. Mit staatsnahen Betrieben meine ich Kulturinitiativen, die eine fixe Infrastruktur haben und permanent Kräfte beschäftigen, um den laufenden Betrieb zu bewältigen.
Wenn dazu Mittel nötig sind, die selbst nicht erwirtschaftet werden können, folglich durch permanente Kofinanzierung durch den Staat bestehen, sind das eben staatsnahe Betriebe. Solche Formationen unterscheiden sich vielfältig von kleinen Kulturinitiativen, Vereinen und Einzelpersonen, die sich in der Wissens- und Kulturarbeit engagieren. Das hat auch andere Konsequenzen im Umgang der jeweiligen Personen mit jenen in Politik und Verwaltung.
Daraus sind Lagerbildungen entstanden, die heute auch – teils verdeckte – Lagerbindungen mit sich bringen, was Lagergrenzen entstehen ließ und daraus Konkurrenzkämpfe triggerte. Das ist andererseits per Definition in „unserer Szene“ nicht existent oder zumindest verpönt, denn: So sind wir nicht!
Solche Kräftespiele müssen zum Beispiel durch Diskursverweigerung und durch problematische Netzwerkbildungen gebändigt werden. Daß solche Verhältnisse zu neurotischen Situationen führen, sollte klar sein. Genau das müßten wir eigentlich überprüfen, entschlüsseln und notfalls dekonstruieren können.
Können wir das? Falls ja, wo findet das statt? Und wer ist überhaupt „Wir“? Wenn ich „Wir“ sage, meine ich primäre Kräfte. Ich meine Menschen, die durch ihre Praxis das generieren, was dann von anderen Leuten gemanagt, verwaltet, rezensiert, beworben und sonst was wird.
Durch einen Boom an Arbeitsmarktmaßnahmen, Kulturmanagement-Kurse, Umschulungen und andere Kuriositäten hat sich dieses Metier in den letzten 20 Jahren massiv verändert. Auch haben viele Leute aus dem Sozialbereich, denen die Jobs ausgingen, das Gefühl entwickelt, sie seien eine Art Gottesgeschenk für den Kunstbereich.
Daher ist mein „Wir“ immer auf die primären Kräfte bezogen, welche Kunstwerke, Content, Projekte und Prozesse von dieser Basis her entwickeln; und zwar von einem Leben in der Kunst aus.
Wir werden permanent von Leuten bewirtschaftet, die mit uns definitiv nicht im gleichen Boot sitzen. (Sekundäre und tertiäre Kräfte, die uns teils nützen, teils auf Augenhöhe mit uns kooperieren, teils aber einfach nur belastend im Nacken sitzen.)
Deshalb bin ich an öffentlichen kulturpolitischen Diskursen interessiert, damit wir laufend neu klären können: Was ist was? Wofür stehen die Begriffe? Wofür werden verfügbare Ressourcen verwendet?
— [The Long Distance Howl] —