Naja, Nacht ist es noch keine. Dezenter Abend. Genauer: Vorabend. Mein Programm? Kleine Telefonplauderei mit Irmgard Eixelberger. Die hat heute ihren Neunziger. Ich versuche mir das auszumalen. Neunzig Jahre auf dieser Welt. Das heißt, sie ist noch vor dem Zweiten Weltkrieg geboren worden.
Mir gelingt keine brauchbare Vorstellung, was das bedeutet. Wir und der Wiener Kongress. Das krieg ich hin. Oder die Bronzezeit mit den prächtigen Langschiffen und diesen Wassernomaden. Oder das Neolithikum mit ersten bedeutenden Bauwerken. So große Zeitfenster. Doch 90 Jahre Lebenszeit und wir plaudern über den Lauf der Dinge, das ist… ein wenig außerirdisch.
Zumal ja ein Frauenleben jener Ära nicht ganz so komfortabel war, vor allem wenn man aus bescheidenen Verhältnissen stammt. Irmi bestätigt, was ich vermutet habe. Ihre Ambitionen hätten Richtung Kunst gewiesen. Aber das war damals unmöglich, weil kein Geld verfügbar und sowieso andere Verpflichtungen vorrangig. Daher wurden es später diese exquisiten Maisstrohfiguren. Material, das die Natur abwirft. Kostet nichts.
Die formale Qualität ihrer Figuren läßt annehmen, daß sie für die Gegenwartskunst getaugt hätte. Doch in der Geschichtsbetrachtung hat ein „Was wäre, wenn…“ keinerlei Bedeutung. Egal! Nun also ihr Neunziger und da ist noch allerhand Gegenwart, die bearbeitet sein will. Wir hatten schon zu Beginn meiner Serie „Die Ehre des Handwerks“ im Gleisdorfer „Zeit.Raum“ vereinbart, daß ich im Dezember noch eine Eixelberger-Episode mache. So schaut’s aus!
„Und nicht an der Decke tanzen“, meinte ich heute zum Abschied, denn so eine Neunziger-Jubiläums-Fete kann ja körperlich etwas belastend werden. Irmi lachte. „Ach, eine heiße Dusche und ein Glas Rotwein, das wird reichen.“ (Kann ich gut verstehen, und ahne daher: ich bin auch nicht mehr ganz so jung.) Cheers, Irmi! Auf das Leben!
+) Eixelbergers Daedalus (Oder: „Männer arbeiten, Frauen basteln“)
+) Wie feiert man Feste? (Irmgard Eixelberger, kantig)