(Beiträge und Fragen zu einer nächsten Kulturpolitik)
Ich hab in der vorigen Glosse „Die Szene, ein Phantasma“ einige Aspekte notiert, die Aufschluß geben, was man rund um das Nachdenken über den steirischen Kulturbetrieb finden und kennen kann. In den vergangenen Wochen sind ein paar Klarheiten herauszuarbeiten gewesen, weil ich meine Standortbestimmung mit anderen Leuten meines Milieus intensiver erörtert habe als sonst.
Dabei kommen mir zwei Bereiche sehr kontrastreich und relevant vor. Sie sind in der Kunstpraxis ebenso von Belang wie in der Wissens- und Kulturarbeit. Ich meine a) eine Unterscheidung zwischen professioneller Arbeit und Hobby. Ich meine b) den Unterschied, ob wir einander als Mitmenschen oder als Ressourcen behandeln.
Kooperation verlangt immer, daß mir auch die Interessen meine Kooperationspartnerinnen und –partner ein Anliegen sind. Die andere Option sind Kontrakt-Jobs. Da zahle ich für eine Dienstleistung und es geht primär um meine Interessen. Kooperation oder Kontrakt-Job, zwei verschiedene Modi, die jeweils deklariert sein sollten.
Im Blick auf die vergangenen 40 Jahre fällt mir auf, daß wir es immer wieder mit Situationen zu tun haben, wo „Die Szene“ als ein Phantasma gepflegt wird, in dem Kooperation als zentraler Modus gilt, während aber Partikularinteressen Vorrang haben und Mitmenschen als Ressourcen behandelt werden. Solange sie Nutzen bringen, etwas abwerfen, hält die „Kooperation“. Versiegt der Nutzen, endet das Projekt.
Das könnte eine akzeptable Variante sein, wenn es ohne verdeckte Intentionen auskäme. Anders gesagt: wenn jemand darauf verzichtet, mich zu blenden und zu hintergehen. Die Vorspiegelung falscher Tatsachen ist der springende Punkt. Wo klemmt die Sache primär?
Kontraste und Kontrakte…
Wer nur eigene Interessen verfolgen möchte, müßte mir einen Kontrakt-Job anbieten, damit der fällige Leistungsaustausch gegeben ist. Weshalb sollte ich sonst meine Ressourcen einbringen? Wenn wir von „Solidarität“ reden, hat ein Deal – im Vergleich zu einem kühlen Job – völlig andere Grundlagen. (Und einen anderen Preis!)
Ich erinnere mich gut, wie oft ich auf Widerstand gestoßen bin, wenn ich vorgeschlagen hab, daß wir den Leistungsaustausch konkret benennen und beschreiben. Das Ergebnis war dann mehr als einmal, daß ich Leute auf Distanz bringen und die Trittbretter hochklappen mußte, damit sie nicht einfach ohne jede Gegenleistung mitfahren.
Um es etwas plüschig zu benennen: die partnerschaftliche Kooperation und die Wegelagerei stehen einander im harten Kontrast gegenüber. Dann wären da noch Seilschaften, die sich bewähren, um Ressourcen aller Art zu lukrieren. Von Geld bis Prestige. Aber doch nicht in unserem Metier! Natürlich auch in unserem Metier!
Was wäre nun daran auszusetzen? Na, eigentlich nichts. Menschen haben Interessen. Manche können offenbar nur existieren, indem sie andere über den Tisch ziehen, einander etwas vormachen. Das ist nicht neu, das findet sich in allen Metiers. Es ist mein Problem, ob ich über hinreichende Kriterien und ein leistungsstarkes Sensorium verfüge, das mich vor solchen Kanaillen bewahrt.
Bliebe noch die Sache mit dem Guerilla-Marketing. Wenn mir jemand mit völlig anderen Interessen meine Begriffe und Bilder klaut, um seine oder ihre Interessen zu vermarkten, habe ich ein doppeltes Problem.
Erstens sind die Bilder und Begriffe meiner Arbeit kontaminiert und eine Darstellung wie Kommunikation meiner Angelegenheiten fällt dadurch schwerer, zweitens habe ich einen erheblichen Marktnachteil durch Schmutzkonkurrenz. Aber das ist keine Domäne des Kulturbetriebs, das findet sich in allen Branchen.
— [The Long Distance Howl] —