Es ist ganz amüsant, wie sich in manchen Zeitfenstern Schnittpunkte zeigen. Ich hab dazu den „Möglichkeits-Raum“ als bevorzugte Metapher. In meiner Auffassung von Wissens- und Kulturarbeit spielt Kontinuität eine wichtige Rolle, das prozeßhafte Vorgehen mit Varianten kollektiver Arbeit.
Gestern ein sonniger Samstag, der 30. Oktober. Ich wollte eigentlich fürs Wochenende einkaufen, da erreichte mich ein Anruf von Fotograf Richard Mayr. Gleich darauf saßen wir in seinem Wagen, um eines der Motive für unser Projekt „Wegmarken“ zu fotografieren.
Die Loambudl hatte ich bei meinen Recherchetouren entdeckt. Wir waren uns über die Qualität des Motivs einig. Eine Kegelbahn, wie ich sie aus meiner Kindheit kannte. Der gestampfte Lehmboden mit dem „Baum“, etwas holprigen Holzplanken, der zu den Kegeln hinausführen.
Links eine Nische mit Sitzbank, in die sich der „Kegelbua“ zurückziehen kann, wenn „geschieben“ wird. Danach werden die Kegel von Hand aufgestellt. Die groben Holzkugeln laufen über eine abschüssige Rinne zum Startplatz zurück. Die Loambudl ist also eine Lehm-Bude zum „Kegelscheiben“ = Kegeln. (Wir kennen in der Region bloß diese eine Version.)
Naturgemäß haben Mayr und ich uns an dieser Bahn versucht, wobei mein Stil eher an Billard denken läßt. Aber jetzt der Schwank an der Geschichte, das mit dem Möglichkeits-Raum. Tags darauf, am Sonntag, dem 31. Oktober, hat mir die Erinnerungsmaschine von Facebook einen Hinweis auf ein Exponat aus unserer Postkarten-Serie rausgezogen.
Die Karte mit einer Fotomontage von Richard Mayr stammt ihrerseits aus dem Jahr 2011, basiert im Kern auf alten Glas-Negativen und zeigt… einen Mann beim Kegeln in einer Loambudl. (Eine Person aus Marys Familiengeschichte.) Siehe: „kuratorium für triviale mythen: karte #8“!
Möglichkeits-Raum. Prozeßhafte Arbeit. Große Themen erkunden, ausleuchten, statt sich bei der Kulturarbeit in ein paar griffigen Events zu erschöpfen. Das ist nach meinem Geschmack und führt zu solchen kleinen, stillen Momenten, in denen sich Zusammenhänge auftun und Erzählungen andeuten.
Das ist meine Arbeit. Mich mit kompetenten Leuten größeren Themenbögen zu widmen, statt als Künstler bloß mit eigenen Befindlichkeiten und Zustandsänderungen befaßt zu sein. Ich denke, es ist durchaus okay, wenn man eigene Befindlichkeiten und Zustandsänderungen mit künstlerischen Mitteln bearbeitet; sofern dabei Werke von Tiefe und Relevanz herauskommen.
Wer aber den umgekehrten Weg wählt und Optionen der Kunst nutzt, um sich ein wenig Aufmerksamkeit zu verschaffen, und sei es bloß die eigene Aufmerksamkeit für sich selbst, übt damit eine soziale und keine künstlerische Praxis. Das ist ein anderes Genre, wofür wir den Begriff „Hobbykunst“ kennen, den offenbar niemand mag. (In anderen Kulturen nennt man das zum Beispiel Voluntary Arts.)
Was Mayr und ich hier gerade machen, ist keine Kunstpraxis, es ist Wissens- und Kulturarbeit. Das heißt auch, wir stümpern da nicht herum, sondern wissen was wir tun, was das ist, und wir bemühen uns dabei um hohe Qualität.
Das wiederum bringt uns der Kunst nahe, in der es darum geht, um es mit Lüpertz zu sagen, daß wir um Qualität und Vollendung ringen. (Die Voluntary Arts haben andere Zwecke, sind solchen Kriterien nicht unterworfen.)
+) Wegmarken, Phase III
+) Kontext: Werkbank