Also! Afghanistan. Genug der Ömpörung? Haben wir nun ein paar neue Klarheiten? Ich hab inzwischen etliche Leute aus meinen Facebook-Kontakten gelöscht, die mir zu lange mit Fotos von zerstörten Trommeln und afghanischen Frauen in westlichen Klamotten auf den Zeiger gegangen sind. Dieses ömpörte Aufplustern mit derlei ewig wiederkehrenden Bildchen ist irgendwie Stil eines soziokulturellen Kameradschaftsbundes, dessen Leute aus den Fauteuils nicht mehr hochkommen.
Was mache ich, wenn mir ein Thema unklar ist, wenn ich mich in einer Sache nicht auskenne? Der passende Satz aus dem Handbüchlein „Krusches Lieblingsmantras“ lautet: „Sag, was der Fall ist oder halte die Fresse!“
Das erinnert mich gerade an eine Situation mit meinem Bruder, die viele Jahre zurückliegt. Er hatte damals ein neues Mischpult für seine Arbeit als Tontechniker erworben und konnte seine Begeisterung kaum zügeln. Dagegen ist mein Faible für Mischpulte enden wollend. Es kam dann in einem Gespräch Michls legendärer Satz: „Was, das interessiert dich nicht? Na, das werde ich dir jetzt erklären.“ Wochen später entspann sich folgender kleiner Dialog.
Ich: „Du hast mir das jetzt zum dritten Mal erzählt.“
Er: „Na und?“
Ich: „Nun weiß ich es ja.“
Er: „Was jetzt! Muß ich bei dir aufpassen, was ich sage?“
Ich: „Das wäre mir recht.“
Wir sprachen dann einige Wochen nicht mehr miteinander. Aber zurück zum Thema Afghanistan. Ich hab seit dem Abzug ausländischer Truppen aus diesem kargen Land etliche Stunden mit Lektüre zum Thema und Dokumentarfilmen verbracht.
Ich darf mich mit Sicherheit auf einen sehr leistungsfähigen Verstand verlassen. Aber diese Geschichte hat mich eher konfus gemacht. Eine zutiefst verwirrende Konfliktgeschichte über ein halbes Jahrhundert. Umso mehr staune ich über die vollmundigen Verlautbarungen zu Afghanistan, die mich nun etliche Zeit begleitet haben.
Über ein paar Dinge müssen wir nicht streiten. Was exponierte Taliban zeigen, ist mit unserem Welt- und Menschenbild unvereinbar. Vieles davon kann ich nur als menschenverachtend qualifizieren. Was soll ich denn über Männer denken, die auf der Straße völlig verhüllte Frauen anhalten, weil sie von einer den Fuß und den Knöchel gesehen haben, von der anderen eine Hand? Darauf beginnt einer, die Frauen mit einem Knüttel zu schlagen. (So gesehen in einigen Filmdokumenten.)
Das erzählt von einem männlichen Begehren und einer völlig verpeilten Beziehung zur eigenen Sexualität, dagegen erscheint mir der Marquis de Sade wie ein Chorknabe. Wir könnten nun weitermachen, jene Punkte aufzuzählen, die uns jene afghanische Männerkultur als inferior erscheinen lassen.
Wir könnten auch weitermachen, darüber zu schweigen, daß geradezu alles, was ich an diesen Leuten auszusetzen hätte, in den Fundamenten unserer vorherrschenden Männerkultur auch noch blüht und über so manchen Ausreißer an die Oberfläche kommt. Doch das ist ein anderes Thema.
Wer nicht kapiert, warum so viele Menschen aus Afghanistan fliehen, hat kein Interesse an der Welt und weiß demnach nichts darüber. Wer vor allem den jungen Männern empfiehlt, die mögen dort bleiben und kämpfen, soll mir bitte erklären: Mit welchen Mitteln und mit den Waffenlieferungen von wem sollen die gegen was oder wen kämpfen, um genau was zu erreichen? Ich bitte um Auskunft!
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PS: Die zwei Fotos stammen aus dem ziemlich beunruhigenden Film „Bestie Krieg“ (Kevin Reynolds) aus dem Jahr 1988, einem Streifen über eine russische Panzerbesatzung in der Konfrontation mit afghanischen Kämpfern.