Ich hab deshalb keine große Geschichte zu erzählen, aber die Nachricht vom Tod des Bertl Pfundner hat in meinem Kopf eine Flut von Bildern ausgelöst. Der Tag, an dem wir uns das erste Mal begegnet sind, ist zufällig notiert. Der 1. Juli 1983, das Sommerfest in der Grazer „Brücke“.
Rechts im Bild: Bertl Pfundner, 1983
Regenwetter. Ich hatte mit meinem Bruder ein Duo-Programm laufen: Folk, Blues & Literatur. Außerdem traten die „Folk-Friends“ auf, so hießen „Aniada a Noar“ ursprünglich. Nach dem offiziellen Teil spielten wir gemeinsam eine Session. (Damals war einer der „Folk-Friends“ am Abspringen. Mein Bruder stieg später ein.)
Vorerst noch einige gemeinsame Gigs, etwa zu Weihnachten in Rosental: „Folk-Friends“ sowie „Martin & Michael Krusche: Literatur & Blues“ als Teil des Programms. Am 26.12.1983 dann ein Fondue. Ich hab dazu ein Foto gefunden, das uns, Bertl und mich, in der Göstinger Hütte zeigt.
Ich erinnere mich an eher unrealistische, aber sehr romantische Vorstellungen davon, wie man in der Kunst lebt. Und weil in den 1980ern alles möglich schien, klappte das auch. Zu der Zeit hatte ich schon sechs Jahre als eigensinniger Freelancer absolviert, war also gegen vernünftige Einwände bezüglich meiner Existenz immun.
Was die „Folk-Friends“ anging, die dann zu den „Noarn“ wurden, gelang ihnen zügig die Umsetzung ihrer musikalischen Vorstellungen und sie gaben der Reihe nach ihre Brotberufe auf. Wir haben gelegentlich abenteuerliche Fahrten absolviert. Ich erinnere mich besonders gerne an diese wuchtige Zuversicht, die unerschütterlich blieb.
Es stand für mich außer jeder Diskussion, daß ich mein Leben so führen kann, wie ich es gerade erkundet hatte. Das dürfte für die „Noarn“ auch so gewesen sein. Freilich lernten wir dabei den Kulturbetrieb gründlich kennen. Da waren auch Reibungen zu absolvieren, Konfrontationen durchzustehen.
Aber im Rückblick ist deutlich, daß Leute wie wir unterschiedliche Kapitel steirischer Kulturgeschichte jener Ära verfaßt haben. Gestern (17.9.2021) erfuhr ich, daß Bertl gegangen ist. Da kam bei mir kurz etwas ins Rutschen; wie etwa, als Autor Helmut Schranz seiner Krebserkrankung erlegen war, als einige andere Künstler, die jene Jahrzehnte gefärbt haben, schon unter der Erde lagen.
Kürzlich waren wir noch unzerstörbar, waren wir – wie erwähnt – eigensinnig. Keine Barriere, die standhielt. Kein Konflikt, der etwas stoppen konnte. Keine Vision, die vom Lauf der Dinge erdrückt worden wäre.
Das ist längst einem völlig anderen Zustand gewichen, anderen Befindlichkeiten. Vermutlich wird der Rest meines Lebens nicht genügen, um zu klären, was das nun bedeutet. Aber etwas scheint mir schon klar.
Dieses zunehmende Verlöschen der Zeichen auf meinem Weg ist etwas, das den eigenen Abschied mildert, ihn mit sanfter Unübersehbarkeit andeutet. Jene, die sterben, als unsere letzten Wegbereiter…