(Beiträge und Fragen zu einer nächsten Kulturpolitik)
[Vorlauf] Ich will dieses Thema hier noch schnell abschließen, den Sack zumachen. Für die Themenleiste „Was es wiegt, das hat’s“ ist eine weitere Vertiefung der Debatte vorerst nicht wichtig. Ich hab in den vorherigen drei Glossen skizziert, was es mit dem Kunstdiskurs auf sich hat, wie und wo laufend neu verhandelt wird, was der Begriff bezeichnet.
Sie machen nichts falsch, wenn Sie betonen: jede Zeit hat ihren Kunstbegriff. Der ändert sich naturgemäß laufend. Für Ihr Privatleben und Ihr persönliches Vergnügen müssen Sie sich keiner Debatte stellen. Sie müssen auch nichts über Kunst wissen oder „von Kunst verstehen“.
Für ihre persönlichen Neigungen ist es völlig hinreichend, den sinnlichen Zugang zu bevorzugen. Da klärt sich, was einem zusagt, gefällt, und was nicht. Punkt! Damit hat man immer recht… für sich.
Wenn Sie aber nach draußen gehen, ins Licht der Öffentlichkeit treten, dort Behauptungen vorbringen oder Ansprüche stellen, sieht das anders aus. Dann gilt allemal: Nennen Sie Ihre Gründe! Und los geht’s! Womit? Mit der Debatte.
Mich können Sie mit der Debatte „Was ist Kunst?“ eigentlich nicht locken. Ich mag viel lieber die Frage „Wann ist Kunst?“ Dieses Dynamische kommt mir gelegen. Nichts gegen den Kanon, in dem Dinge festgeschrieben sind, aber das bleibt ja doch alles in Bewegung.
Ich komme mit großen Teilen der kanonisierten Kunstwerke gut zurecht und manches muß ich übergehen. Man wird bei mir zum Beispiel Salvador Dali kaum erwähnt finden und der Phantastische Realismus österreichischer Maler langweilt mich. Zu solchen Dingen fällt mir nichts ein. Muß es auch nicht. Jedes Genre und jede Ära hat ein Publikum. Das paßt so.
Also was nun? Wann ist Kunst? Da bin ich ein Anhänger der Kunsttheorie von Boris Groys. Der weist uns darauf hin, daß wir Dinge, Werke und Prozesse je nach Befindlichkeit valorisieren oder trivialisieren. Wir werten sie auf, wir werten sie ab.
Aufgewertete Dinge, Werke und Prozesse wandern in die Archive unserer Kultur. Sie fliegen eventuell auch wieder raus, falls sie zu anderer Zeit trivialisiert/abgewertet werden. Um ein Beispiel zu nennen: Bildhauer Arno Breker. (Der paßt auch gut zu meinem vorhin geäußerten Desinteresse an a) Salvador Dali und b) dem Phantastischen Realismus.)
Breker war ein während der NS-Zeit von den Nazi und ihrer Entourage hoch geschätzter Bildhauer. (Valorisierung: rein in die Archive der Kultur.) „Hitlers Hofkünstler“ wußte mit seinem Werk damals zu beeindrucken. Den künstlerischen Rang, der ihm während der Nazi-Herrschaft zugeschrieben wurde, konnte Breker aber nicht besetzt halten.
Was die Bildhauerei des 20. Jahrhunderts angeht, bleibt über ihn nicht gar so viel zu sagen. Daß Breker mit Salvador Dali und Ernst Fuchs befreundet war, hat andrerseits keine Aussagekraft bezüglich künstlerischer Kriterien.
Daher: rein in den Lift des Ruhmes, raus aus dem Lift des Ruhmes! Das ist banal und geschieht permanent. Darum gilt ja auch als Faustregel, daß Werke in ihrer Zeit nur selten treffend bewertet werden können. Anders Beispiel: zu Goethes Zeiten waren einige Autoren weit bekannter und gefragter als der Geheimrat.
Auch die Musik bietet uns ähnliche Beispiele, das Theater und so weiter. Der Kunstbegriff bleibt dynamisch! (Ich sollte beizeiten aber noch ein paar Worte über die Hobbyliga verlieren und wie manche Kulturreferate der Provinz damit herumtricksen.)
— [The Long Distance Howl] —