(Beiträge und Fragen zu einer nächsten Kulturpolitik)
In der Glosse „XXV: Verschnöselung“ habe ich kurz skizziert, wie Musiker Alexander Köck von der Band Cari Cari vor Publikum offenlegt, daß seine Kolleginnen und Kollegen im mitwirkenden Orchester an diesem Abend mit je 30,- Euro Gage abgespeist wurden. Als wäre das nicht skandalös genug, brachte sich Moderator Alfons Haider in diese Situation auf der Friedensburg Schlaining mit einer peinlichen Geschwätzigkeit ein, um die Vorhaltungen von Köck zu relativieren. [„Verschnöselung„]
Das vor allem Unerträgliche an Haiders Auslassungen ist seine Erläuterung, dieses Klimpergeld sei darin begründet, daß die Ensemblemitglieder ihre Ausbildung noch nicht abgeschlossen hätten. Darin offenbart sich die Schäbigkeit der Position, daß also nicht die abgelieferte Leistung Vorrang hat, sondern die Fragen nach dem Diplom. Siehe dazu den Mitschnitt: ORF, Live-Sendung am 14. August 2021 von der Friedensburg Schlaining (Burgenland/Österreich)
Peter Trefflinger kommentierter am 20. August 2021: „Steuerrechtlich im Graubereich, beschämende Gagen und problematische Kettenverträge: Der Umgang mit Musikerinnen und Musikern ist beschämend. Gut, dass jetzt über angemessene Honorare debattiert wird…“ [Quelle]
Moderator und Generalintendant Alfons Haider hat sich anschließend entschuldigt. Auf seiner Facebook-Seite, so heißt es, schrieb er unter anderem: „Ich kenne das Problem ungleicher Entlohnung, habe jedoch immer versucht, im Rahmen der Möglichkeiten ausgleichend zu handeln.“ [Quelle] Darauf gebe ich gar nichts. Null. Nada. Pose! Seine Nummer „Wes Brot ich eß, des Lied ich sing“ war unmißverständlich.
Steirische Belange
Ich fand bemerkenswert, was der Grazer Kulturstadtrat Günter Riegler am 19.8.21 auf Facebook notierte: „Vor mehr als einem Jahr – im ersten Corona-Lockdown – habe ich, damals noch an Staatssekretärin Ulrike Lunacek, das Angebot gerichtet, gemeinsam (Bund, Länder, Gemeinden) für ein Fair-Pay-Modell zu werben. Das setzte voraus, dass nicht nur Land Steiermark und Christopher Drexler und wir in der Stadt Graz das Fördermodell für Kultur neu zu organisieren, sondern es braucht auch ein verbindliches Committment der Bundesregierung (Werner Kogler, Staatssekretärin Andrea Mayer), hier ein einheitliches Regelwerk vorzugeben. Mit einheitlichen Kalkulationsgrundlagen für Kulturprojekte sowie einem gemeinsam finanzierten Modell für KünstlerInnenstipendenprogramme unter definierten Zielbedingungen. Eines ist klar: hier muss die Bundesregierung den Lead übernehmen – ähnlich wie bei den Bemühungen um das 1-2-3-Ticket.“
Was besagt das? Zu diesem Thema ist auf Seiten der Politik keinerlei Bewegung. Überraschung? Just saying!
Die „Szene“
Haben Sie letzten März die Aufzeichnung jener Literaturhaus-Session gehört? Daniel Erlacher (Elevate), Monika Klengel (TIB), Heidrun Primas (Forum Stadtpark) und Bernhard Rinner (Bühnen Graz) erörterten unter der Moderation von Ilse Amenitsch den Status quo.
Dabei habe ich bestaunt, daß Klengel und Primas so ausdrücklich wie nachdrücklich betont haben, daß a) die IG Kultur Steiermark und b) die steirische Kulturpolitik jüngst sehr gute Arbeit geleistet hätten. (Lockdown-Jahresbilanz: Kultur, 16.3.2021, 19 Uhr)
Ich komm bloß nicht drauf, was das gewesen sein soll, diese gute Arbeit. Wie zeigt sie sich? Was war gemacht worden, was geschehen? Kann mir jemand zweckdienliche Hinweise geben?
Ich habe heute auf Facebook bei der IG Kultur Steiermark nachgesehen. Der letzte Eintrag stammt da vom 21. Juli 2021: „Fair Pay auch für die freie Medienarbeit!!“ Null Reaktion auf den aktuellen Vorfall. Lebt eigentlich Obfrau Anita Hofer noch?
Daß Vorstandsmitglied Michaela Zingerle derzeit mit Propagandaarbeit und Kulturmanagement ausgelastet ist, konnte man kürzlich bei ihrem Auftritt für SPÖ-Kultursprecher Hannes Schwarz erfahren. Siehe dazu die ausführliche Rezension in drei Teilen: [Link] Ist da draußen sonst noch wer vom IG-Vorstand, von dem oder der wir irgendeinen relevanten Input erwarten dürfen?
Die Kulturgewerkschaft
Auf Bundesebene klingt das so: „Die IG Kultur Österreich fordert seit Jahren eine faire Bezahlung von KünstlerInnen und KulturarbeiterInnen. Dazu muss das Kulturbudget nachhaltig erhöht werden. Endlich ist die Fair Pay Diskussion bei allen Förderstellen angekommen und bekommt breitere Unterstützung als noch vor der Pandemie. Ob die Kulturabteilungen des Bundes und der Länder den Mut haben werden sich den notwendigen Änderungen in ihren Förderstrukturen zu stellen ist noch nicht ausgemacht. Aber der Weg scheint gerade zu stimmen.“
Was mich irritiert, ist der Satz: „Endlich ist die Fair Pay Diskussion bei allen Förderstellen angekommen und bekommt breitere Unterstützung als noch vor der Pandemie.“ Die Kampagne „Fair pay“ ist nämlich rund zehn Jahre alt.
Übrigens mißfällt mir die Sprachregelung „Förderung“ enorm, denn wenn ich mit öffentlichen Mitteln arbeite, gibt es dazu einen Vertrag, in dem der Leistungsaustausch/der Deal sehr detailliert festgeschrieben ist und eingehalten werden muß. Der Staat „fördert“ mich nicht! Er investiert in die Zukunftsfähigkeit der Bevölkerung.
Das ist also eine Kofinanzierung von kulturellen Vorhaben, in denen der Staat zum Beispiel Cash einbringt und ich als Künstler wie Kulturarbeiter andere Ressourcen in das geistige Leben des Landes investiere.
— [The Long Distance Howl] —