(Beiträge und Fragen zu einer nächsten Kulturpolitik)
[Vorlauf: Teil I] Eine weitere kleine Intrada. Freilich wurde ich inzwischen ermahnt, hier nicht die Klappe so aufzureißen, kritisieren könne jeder, es aber besser machen nicht. Nein, kritisieren kann nicht jeder. Gezänk und Ömpörung sind etwas anderes als Kritik. (Ich hab im Teil I ja skizziert, wodurch sich die Kritik davon unterscheidet.)
Und ja, ich kann es besser. Das werde ich gerne in einigen Glossen belegen, die ich in der Übersicht mit [konzept] kennzeichne. Aber nun weiter in der Rezension des vierten Klubgesprächs.
Was macht einen Künstler aus?
Gegen Minute 16:55 erzählt Richard Frankenberger, was einen Künstler ausmache. (Ich glaube, JETZT wird es beuyseln.) Er habe zwar eine akademische Ausbildung genossen… Akademie, Meisterprinzip und so, ein schönes Thema! Doch… Nun kommt schweres Gerät aus dem vorigen Jahrhundert zum Einsatz.
Bazon Brock und Joseph Beuys. Kawumm! Dar Akademiefürsprecher Frankenberger referiert die Akademiekritik der Kapazunder. Ist ja wahnsinnig von Belang für ein heutiges Künstlerleben in der Oststeiermark. Jetzt verzahnt Frankenberger die Kunstwerke und die Preise thematisch: je teurer, desto Kunst. Das möge kritisiert sein. Wirklich? Wer argumentiert denn heute noch ökonomisch, wenn die Qualität eines Werkes zur Debatte steht? Wer verwechselt denn Marktwert und künstlerischen Wert?
Freiheit der Kunst
Frankenberger sagt, man müsse die „Freiheit der Kunst“ nutzen, um die Probleme der Zeit anzugehen. Ich widerspreche! Die Probleme sollten wir im Rahmen fundierter Bürgerrechte angehen. Die „Freiheit der Kunst“ hat damit nichts zu tun und ist etwas völlig anderes. Sie ist keine soziale, sondern eine ästhetische und intellektuelle Kategorie. Die „Freiheit der Kunst“ ist ein Schreckgespenst für Spießer, die in ihrer eigenen Angepaßtheit kühnere Leute beargwöhnen.
Außerdem mißtraue ich jeder „Kunst, um zu…“, also einer Kunst als soziokulturellem Reparatur-Set. Ich habe den Verdacht: wenn die Kunst anderen als ihren eigenen Zwecken dienen muß, also instrumentalisiert wird, ist sie womöglich keine. So erfrischt sich mein Verdacht: wer heute über Kunst reden und mir mit Beuys kommt, versteht wahrscheinlich nichts bis wenig von Gegenwartskunst.
Ich habe außerdem hier von Frankenberger in keinem Wort erfahren, was einen Künstler ausmache, denn danach hatte Schwarz schließlich gefragt. Frankenberger fabuliert stattdessen: „Gehen, Fortschritt, weitergehen, sich entwickeln…“ (Ich sag Euch was! Da ist ja unser Gleisdorfer Pfarrer Giovanni Prietl, wenn man ihn aus tiefem Schlaf reißt, inhaltlich klarer und härter drauf.)
Nun kommt rund um Minute 19:20 die „Vernetzung“ dran. Zingerle betont sie als „das Um und Auf“. Ja? Wirklich? Jene Zingerle, die uns Initiativenleuten und Basiskräften in der Region während einer öffentlichen Veranstaltung die Vernetzung von Gleisdorfs Bürgermeisterbüro mit dem Gleisdorfer Kulturreferat und dem Büro für Kultur und Marketing als Beispiel der „Best Practice“ an regionaler Kulturarbeit vorgestellt hat? (Siehe dazu: meine Notiz!)
Das beruhte allen Ernstes auf der „Einladung zum 1. Arbeitstreffen ‚Kultur am Land‘, am Donnerstag 21.9.2017 in Gleisdorf“ [Quelle] Eine Sternstunde der Kulturgewerkschaft „IG Kultur Steiermark“ im Sinne einer kulturpolitischen Bankrotterklärung, denn da wurde uns nicht zum letzten Mal empfohlen, uns in eine kommunale Hierarchie einzuordnen.
Zingerle: „Wenn wir uns gegenseitig unterstützen und solidarisch sind, dann haben wir alle viel mehr davon.“ (In genau diesem Sinn meldete sich bei uns auch die Landesbedienstete Sandra Kocuvan, als wir auf Facebook die „Origami Ninja Association“ eröffnet haben.) Ein beliebter Mythos des Kulturvölkchens, den Zingerle mit ihrem Gleisdorf-Beispiel eigentlich versenkt hat. (Zum Thema Solidarität im steirischen Kulturgeschehen siehe meine Glossen im „Feuilleton“!)
Alte Hüte
Frankenberger kommt dann noch mit seiner Lehrtätigkeit (Meisterklasse für Malerei am Grazer Ortweinplatz), was für uns sowie die Wissens- und Kulturarbeit in der Provinz keinerlei Relevanz hat. Auch hier mehrfach die wenigstens implizite Empfehlung, und in eine institutionelle Hierarchie einzuordnen. (Das plaudert der Mann, dessen aktueller Buchtitel das Wort „Widerstand“ enthält. Bin ich hier der Dorfdepp?)
Danach geht’s zu Menasse, von dem Frankenberger zum Thema Heimat eine Textpassage aus dem Jahr 1993 vorliest. (Könnte dem Mann bitte jemand flüstern, daß wir grade 2021 haben? Der diesbezügliche Diskurs ist längst vorangekommen.)
Die Lesung des Briefes dauert eine langweilige Minute, ist für das Thema von Hannes Schwarz inhaltlich nutzlos, bestenfalls ein Beleg: „Ich besitze einen alten Brief vom Menasse.“ Warum tue ich das so ab? Weil wir beim Thema „Leben in der Kunst“ hier in der Oststeiermark schon lange woanders angelangt sind; mit Kräften aus der Region, was ja nicht ausschließt, daß man zwischendurch auch einen Promi aus Wien befragt.
Aber Frankenberger konzentriert sich bei Schwarz vor allem auf Namedropping, was bedeutet: sich selbst durch prominente Bekanntschaften aufzuwerten ist ihm wichtiger als… was auch immer. Zingerle sagt eine Minute später „Danke für den Text!“ (Weshalb auch immer.)
Dann fährt sie fort: „Was wir uns wünschen, wir Kultur am Land…“ Und das ist kühn behauptet! Wer „wir Kultur am Land“? Sie referiert eine schlampige Kurzfassung von Hilmar Hoffmanns Idee einer „Kultur für alle“. Das ist Stoff aus dem Jahr 1979! „Zu den Leuten hinkommen“ etc. etc. Alles voriges Jahrhundert. Kennen wir, haben wir alles schon gemacht, werden wir weiter machen, „wir Kultur am Land“.
Frankenberger promotet weiter Teile seiner Arbeit, also sich selbst, ebenfalls alles Stoff aus dem vorigen Jahrhundert. Er macht klar: „Weil, wenn die Leut net kommen, dann müß ma zu ihnen gehen.“ Wie erwähnt, diese Dinge wurden ab den 1980ern gründlich debattiert und mit Praxismodellen hinterlegt. (Damals war der heutige Weizer Bürgermeister Erwin Eggenreich übrigens dabei, hatte sich in einer regionalen Kulturbewegung engagiert.) [Teil I] [Fortsetzung]
— [The Long Distance Howl] —