Ich stelle mir das so vor: wenn ihm was auffällt, lehnt er sich zurück, lächelt und läßt seine Hand von der Leine. Haben Sie je einem versierten Zeichner zugesehen, wenn er loslegt?
Da ist nichts mehr von den Mühen der Hand-Augen-Koordination, die ein Kleinkind erst üben muß und die von sich selbst ergriffene Hobbymaler nie loswerden.
Bei Heinz Payer dürfte es so sein, wie ich das vom Schreiben kenne. Die Handlung – das Schreiben/das Zeichnen – ist zugleich Kognitionsakt und Äußerung.
Dabei irgendwo zwischen den Ohren dieses leichte Betriebsgeräusch der Reflexionsarbeit, eine Art von Seufzen, das man kaum hört. Kognition, Reflexion, Äußerung. Manchmal verfließt das wie Aquarellfarben auf feuchtem Papier.
Wir sind zwei ältere Herren auf dem Weg zu alten Männern, was unter anderem bedeutet: da ist über all die Jahrzehnte sehr viel Tinte geflossen. Was das mit einem macht, wenn man beschlossen hat in der Kunst zu leben, kann ich nur mit einer Metapher darstellen.
Stellen Sie sich vor, sie stehen im Inneren eines Berges, in einer maßlos großen Höhle, einem Dom, der Ihrer ganzen Welt Platz bietet. Welche Art von Lampe haben Sie in Händen? Selbst die stärkste verfügbare Funzel könnte den Dom nicht ausleuchten; und egal, wie weit Sie sehen, wie viel Sie sehen, Sie spüren deutlich: dieser Dom ist größer.
So sind wir in der Welt, unter den Sternen. Und so ist Kultur. Das – unter anderem – bedeutet es, in der Kunst zu leben. Die Lampe genügt nie!
Ein endloses Ringen um Qualität und Vollendung ohne jede Gefahr, einen Schlußpunkt zu erreichen. Erst wenn das Herz zu schlagen aufhört, ist dieses Kräftespiel zu Ende, aber der Dom noch immer da und unausgelotet.
Zurück zu Payer, wie ihm etwas auffällt, er sich zurücklehnt, lächelt und die Hand von der Leine läßt. Dann schickt er mir manchmal so ein Blatt. Es ist der Beleg, daß wir uns vorzüglich unterhalten haben. Dabei bin ich ihm noch nie real begegnet. So also, um bloß ein einzelnes Beispiel zu nennen, ereignet sich ein Leben in der Kunst für Momente.
+) Heinz Payer (Home)
PS:
„Das Ende ist sicher. Einzig und allein die Anfänge liegen im Verborgenen. Zehntausende von Jahren basierte die Überlieferung von Geschichte(n) und Wissen auf Oralität. Der Mythos wiederholte sich in der und durch die Erzählung jedes Mal aufs Neue – Anfang und Ende, Geburt, Tod und Wiedergeburt, wie die Jahreszeiten eingebunden in die Kreisläufe des Lebens.“ (So steht es im Text „Der Tod und das Zeichen II“ von Wolfgang Oeggl)[Quelle]
PPS:
Ja, einer der Punkte ist, daß ich nicht primär schreibe, um ein Publikum zu gewinnen, sondern um mein Verhältnis zur Welt zu ordnen. (Bedaure, zu mehr Pathos fehlt mir die Kraft.)