Das hab ich die letzten Jahre oft gehört und gelesen. Kämpfen. Die Familie und die Heimat verteidigen. Als würde jemand die Inschriften alter Denkmäler ablesen. Aber was meint denn das genau? Ein Schußwechsel mit einem Ganoven oder ein Feuergefecht mit einer Bande. Besteht da ein Unterschied? Na, das will ich meinen.
Eins
Als die Kanaille von Wien im November 2020 loszog, starben vier der Opfer, 23 wurden verletzt. Der erklärte Daesh-Anhänger führte dabei eine Machete, eine Pistole und ein Sturmgewehr mit sich, also eine Kriegswaffe mit hoher Feuergeschwindigkeit und Durchschlagskraft.
War das ein Job für unsere reguläre Polizei? Nein! Da rückte ein Sonderkommando der WEGA aus, speziell geschulte Männer einer operativen, nicht ermittelnden Einheit. Damit sollte schon klar sein, daß die konventionellen Polizeikräfte zwar schießen können, aber nicht für das Schlachtfeld ausgebildet wurden. Auch Jäger können schießen. Auch ich kann schießen. Das sagt noch gar nichts.
Ich nehme dagegen an, daß Polizeikräfte wie unsere Alarmabteilung oder wie das Einsatzkommando Cobra sich in Einsätzen gegen Freischaren, wahlweise reguläre Verbände, bewähren würden. (Apropos! Was ist denn derzeit der Status afghanischer Taliban-Kämpfer? Sind das Soldaten oder Freischärler?)
Zwei
Ich war nie ein Pazifist. Im Rahmen meiner militärischen Ausbildung habe ich den Umgang mit einem Sturmgewehr, einer Maschinenpistole, einem Maschinengewehr und dem Panzerabwehrrohr gelernt. Ich war überdies Funker und schließlich Richtkanonier an einem Raketenwerfer.
Hätte ich damals, selbst nach zwei Kaderübungen, längere Zeit auf dem Schlachtfeld überlebt? Das ist eher zweifelhaft; außer ich wäre einem kampferprobten Kommandanten unterstellt gewesen, der seine Männer im Kampfeinsatz vorzüglich anzuleiten versteht.
Und heute, mit 65? Wir wissen vom „Volkssturm“, dem letzten Aufgebot der Nazi, daß die Kinder und die alten Männer keiner Armee standhalten konnten, daß sie im Einsatz gestorben sind wie die sprichwörtlichen Fliegen.
Drei
Also wie kämpfen? Ich hab einen vormaligen UCK-Kämpfer aus dem Kosovo einmal gefragt, wie man denn zu den nötigen Waffen käme. Er sagte: „Wenn Krieg ist, mein Freund, gibt es genug Waffen.“
Derzeit können wir gespannt warten, ob in Nigeria klappt, was sich waffentaugliche Zivilisten vorgenommen haben: Jäger, die sich organisieren, um ihre Dörfer vor Übergriffen der Boko Haram zu schützen. Sind sie imstande, Aggressoren entweder abzuschrecken oder zu entwaffnen?
Können wir etwas von jenen kurdischen Frauen lernen, die sich in Waffengängen gegen den Islamischen Staat gestellt haben? Kurdische Frauenkampfverbände haben etwa 2015 bei der Schlacht um Kobane (Syrien) eine nennenswerte Rolle gespielt. (Das sind freilich ausgebildete Kämpferinnen, die entsprechende Trainings absolviert hatten.)
Vier
Ruft bei uns jemand „Die sollen kämpfen!“, kommt das in der Regel nicht von Profis, sondern von Leuten, die Kampfhandlungen bloß aus Kinofilmen kennen. Ich hab mir von etlichen Leuten mit Kampferfahrung sagen lassen: so wie in den Filmen ist es nicht. (Eigentlich naheliegend!)
Ich muß mich erst noch umsehen, wo ich bei uns etwas Substantielles von Leuten erfahren kann, die wissen, was es braucht, um sich einer Soldateska zu stellen. In Bosnien wußten wir es jüngst noch nicht. Auch in einigen anderen Regionen des Balkans konnte Europa dabei nicht auf den Punkt kommen. Wodurch genau sind wir denn plötzlich klüger geworden?
PS: „Facebook stuft die afghanischen Taliban als Terrororganisation ein, Twitter und Google halten sich noch bedeckt.“ (Der Standard)
PPS: Der Untergang Jugoslawiens hat auf jeden Fall anschaulich gemacht, daß Zivilpersonen einer mit Infantriewaffen anrückenden Soldateska nicht gewachsen sind, Verbänden mit schweren Waffen schon gar nicht. [Fortsetzung]
— [Übersicht] —