Standorte wollen stets neu bestimmt und Modi stets neu verhandelt werden. So geht Navigieren, falls man nicht – gleich einer Statue – an einem Fleck eingemauert sein möchte. Klar? Klar! Ich mache derzeit interessante Erfahrungen in den laufenden Debatten, die sich aktuell sehr stark um zwei Themenschwerpunkte verdichten: a) Geschlechteridentitäten und b) männliche Gewalt an Frauen.
Ich hatte eben Gelegenheit, bei unserer GISAlab-Vernissage im Graz-Museum über einige Aspekte dieser Kräftespiele ausführlicher mit Emina Saric zu reden. Saric stützt sich in ihren Ansichten auf inzwischen Jahrzehnte eine konsequenten Auseinandersetzung mit offenen Fragen in diesen Dingen.
Was ich in unserem Gespräch besonders hilfreich fand, um meine laufende zu kontrastieren, war ihre klarer Fokus auf beide Seiten der Rollenkonzepte. Also nicht: „Wir Frauen haben Euch Männern etwas zu erklären!“ (Naja, das auch.) Stattdessen wollen beide Felder untersucht sein; wenn man das in einem groben Blick bipolar sortieren möchte: männliche & weibliche Konzepte.
Von da mag es dann in die Komplexität reingehen. Ich sehe mich selbst als Teil und zwingend als Nutznießer einer vorherrschenden Männerkultur, wobei es mir aber freisteht, mich nicht zum Agenten dieser Männerkultur herzugeben.
Ich gebe gerne zu, daß ich durchaus egoistische Gründe habe, die Begegnung mit Frauen auf Augenhöhe zu suchen. Es sind simple Motive. Wie anregend und interessant kann es denn sein, sich ein Leben mit geduckten, gedemütigten Frauen einzurichten? Das ist äußerst unerfreulich, zieht einen eher runter, als daß es einem hilft zu fliegen. Klar? Klar!
Das bedeutet ja auch: wer auf Frauen lieber draufsteigt, bleibt sein Leben lang in ganz bescheidener Bodennähe, wo sich nichts Anregendes entfalten kann. Ich argumentiere in diesen Fragen also lieber aus der Position in Augenhöhe, weil es mir hilft, den eigenen Standort genauer zu markieren. Niemand bückt sich, niemand wir gebückt. Daß wir ab da das Träumen und das Fliegen beginnen können, halte ich für evident.
Mütterlichkeit oder Weiblichkeit?
Aber Saric! Sie hat mir zwei Motive vorgelegt, über die ich bisher noch nicht nachgedacht hatte. Erstens: Männer, die ihre Männlichkeit auslagern, indem sie Frauen benutzen, um ihre eigene Ehre zu konstituieren; und was es davon weiter an skurrilen Derivaten gibt.
Es ist schließlich eine sehr verschrobene emotionale Leistung, daß meine eigene Identität und Integrität davon abhängen könnte, wie sich eine Frau an meiner Seite verhält und befindet. Was sich da als eine Art von Verfügungsgewalt aufspielt, ist ja tatsächlich vor allem einmal Ausdruck eines überaus schwächelnden Männer-Egos. Im Grunde ein Witz, der eine Witzfigur erschafft.
Der andere Punkt, über den sich vorzüglich grübeln läßt, ist – zweitens – laut Saric die Option, sein Selbstverständnis wahlweise eher auf Mütterlichkeit oder auf Weiblichkeit zu legen. Zwei verschiedene Rollenangebote, in denen sich Frauen verheddern können, an denen sich Männer für etwas entscheiden können, was anscheinend oft genug schief geht.
Eigentlich sollten wir uns anstandslos damit zurechtfinden, daß Mütterlichkeit Kindern gewidmet ist, die noch nicht selbst für sich sorgen zu können, um dann mit wachsender Eigenständigkeit der Kinder zu verebben. Finale, Mütterlichkeit: aus! Bleibt? Weiblichkeit! Oder?
Bezüglich Mütterlichkeit: genau das kann genauso natürlich auch von Männern verantwortet werden, denn es gibt an dem Thema und den Aufgaben nicht rasend viel, was naturgemäß nur und ausschließlich von Frauen erbracht werden könnte. Auf wenigstens 15 Jahre Kindheit umgelegt bleibt genug an elterlichen Aufgaben, für die Männer ebenso hinreichend geeignet wären.
Wo aber Mütterlichkeit als ein Synonym für Weiblichkeit gehalten wird, sind Konflikte unweigerlich vorprogrammiert. Das ergibt also zwei interessante und diskussionswürdige Punkte:
+) In wessen Händen liegt die Verwaltung von Männlichkeit?
+) Welche Art Ablaufdatum hat Mütterlichkeit, um einer Weiblichkeit Platz zu schaffen?
Ansatz
Wenn ich eingangs ausdrücklich eine vorherrschende Männerkultur betont habe, soll das auch besagen: hier sind Wissens- und Kulturarbeit gefordert. Kann ich die Mechanismen entschlüsseln und verstehen, dann kann ich an der Gestaltung von Veränderungen mitwirken. Um eine Kerl-Metapher zu strapazieren: Werde ich die Lawine surfen oder mich von ihr wegreißen lassen?
Post Scriptum
+) Von Emina Saric erschien eben im Passagen Verlag: “Ehre, Scham und Schande“ (Warum wird Frauen Gewalt angetan?) [Link]
+) Die GISAlab-Vernissage