Das Bottom up-Prinzip III
Ich höre aktuell, daß Funktionäre dieses Prinzip als eine Kompetenz der Region auf Funktionärsebene betonen, nicht als ein Prinzip der Bürgerbeteiligung. Darauf gehe ich später noch mit einem jungen Beleg ein. Faktum ist, mein „Kunst Ost“ war das erste formelle LEADER Kultur-Projekt der Steiermark. Und seit damals bemühen sich Funktionstragende, Kompetenzen und Budgets auf ihrer Ebene zu halten, nicht nach unten (zu uns) freizugeben.
Es gibt ein bemerkenswertes Papier vom 28.10.2009, dessen Quelle nie offengelegt wurde. Ich sah es aber bei einem Meeting in Händen des damaligen Nationalratsabgeordneten Christian Faul. Dieses Papier war eine umfassende Attacke der regionalen Funktionärswelt gegen ein Kulturnetzwerk der Basis. (Nicht das letzte seiner Art.)
Darin heißt es unter anderem: „Ein künstlerischer Leiter (Herr Martin Krusche) würde alleine oder im engen Kreise bestimmen ‚was‘ Kunst in unserer Region ist und sein sollte. Dadurch wäre der Vernetzung, der Einbringung von Partikularinteressen aller Mitgliedsgemeinden der Region und auch der Vielfalt der Künstler ein Riegel vorgeschoben.“
Das zeigt erstens eine völlige Ahnungslosigkeit, was Kunstdiskurse und Kunstpraxis angeht. Das macht zweitens deutlich, was man vom Bottom up-Prinzip als Fundament der Bürgerbeteiligung hielt. Nichts! (Man kann doch nicht einem „Laien“ so viel Geld und Verfügungsgewalt überlassen!)
Wieso besitze ich dieses kuriose Papier? Es wurde mir zugespielt. Aus ähnlicher Quelle erfuhr ich auch, daß man mit diesem Papier bei der damaligen Kulturlandesrätin Bettina Vollath antichambriert hatte, um Kunst Ost im LEADER-Kontext abzuschaffen.
Es kam später in Weiz auch noch zu einer offenen Attacke, live, während einer Veranstaltung, bei der wesentliche Funktionstragende von Land und Region anwesend waren. Damals hat niemand eingegriffen, um den durch Immunität gestützten Parlamentarier in seiner Verletzung des LEADER-Reglements zu bremsen.
Donnerstag, 29.04.2010, Konferenz in Permanenz zum Thema:
Zeitgenössische Kunst und Kultur im ländlichen Raum
Dietmar Seiler (künstlerischer Leiter REGIONALE10)
und Martin Krusche (kunst ost).
— [Das Dokument als PDF-Datei] —
Es ist nicht die einzige explizite Absage an eine Klärung von Begriffen und Kategorien im Kulturbetrieb. Man (wer, blieb unbekannt) war vor allem intensiv bemüht, mir damals die rund 400.000 Euro Budget, über die ich verfügen sollte, abzujagen. Der „Bottom“ sollte nicht an der Basis der Zivilgesellschaft festgemacht werden
Zitat: „Folgende Gründe sprechen dafür, dass die Städte Weiz und Gleisdorf bzw. die Energieregion Weiz selbst Träger des Projektes sein sollen, denn nur dadurch könnte ein Großteil der Personalkosten (zB bei der Abwicklung und Abrechnung) sowie der Organisation eingespart werden, was dem Projekt zugute käme.“
— [Übersicht] —
Post Scriptum
Ich hatte mit Erlaubnis von Dietmar Seiler meinen Dialog mit ihm auf Video mitgeschnitten um das Meeting dokumentieren zu können. So kam es auch, daß der Angriff von Christian Faul zum Teil auf Video festgehalten ist. Als er das bemerkte, polterte er: „… Da! Inquisition! Der dreht das alles mit. Ja, wo sind wir denn? Ist alles, und der Krusche, Krusche sagt, was passiert, wer ist ein Affe, wer ist keiner, wer bringt was zusammen, wer bringt nichts zusammen? Das geht nicht! …“
Es sei festgehalten, einige Leute, die mir heute von „Solidarität!“ reden und mit das als Prinzip empfehlen, saßen damals schweigend und tatenlos im Raum. Ferner: diese infame und ungeschminkte Verletzung des LEADER Bottom up-Prinzips blieb für den Nationalrat ohne Folgen.