30 Jahre LEADER III

(Bottom up-Prinzip I)

Hier müssen noch einige Takte Klartext zum Thema „Bottom up-Prinzip“ notiert werden. Es war kulturpolitisch wichtig, daß dieses Prinzip zu einer Bedingung für die Vergabe von Fördermitteln avancierte. Gleichzeitig hab ich über rund eineinhalb Jahrzehnte höchst unterschiedliche Deutungen des Prinzips erlebt.

Oktober 2009: Die Bürgermeister der Energieregion lassen sich unser Kulturkonzept vortragen.

Wo immer Gremien und Lenkungsausschüsse im Kontext Regionalentwicklung über Themen und Gelder verfügen, stellt sich die Frage, ob da Entscheidungen getroffen werden, die der Bevölkerung eher
a) Konsumation oder
b) Partizipation nahelegen.

+) Modus a) wäre ungefähr: „Laßt uns nur machen, es ist zu Eurem Vorteil. Lehnt Euch zurück und genießt!“
+) Modus b) wäre ungefähr: „Nehmen wir den mühsameren Weg auf uns, die Bürgerbeteiligung zu realisieren. Dialog auf Augenhöhe und Kooperation.“

Lassen Sie mich zum jetzigen Status quo eine Arbeitshypothese vorlegen. Die wäre zu überprüfen und wenn wir Glück haben, läßt sie sich im Sinne der Demokratie und im Geiste von EU & LEADER falsifizieren.

Oktober 2009: Konferenz „Lokale Agenda 21“ in Gleisdorf, Thema: „Auftakt zur Bürgerbeteiligung in der Kleinregion Gleisdorf“.

Die Arbeitshypothese
+) Ressourcen sind knapper geworden, die sollten wir jetzt nicht einfach den Laien überlassen.
+) Hier kommen die Profis aus Politik und Verwaltung!
+) Bürgerinnen und Bürger mit ihren Partikularinteressen sind viel zu unberechenbar.
+) Es braucht auch meistens viel zu lange, bis wir mit Laien vorzeigbare Ergebnisse kriegen.
+) Wir Profis in der Verwaltung wissen, wie man diese Jobs richtig macht.
+) Wir entlasten die Kommunen, indem wir Zusatzbudgets für unsere Abteilungen auftreiben.
+) Der Bottom-Up-Ansatz erlaubt uns, die eigenen Konzepte zu bevorzugen.
+) Das ergänzen wir mit guter PR-Arbeit, die Volksnähe und Gemeinwohl thematisiert.
+) Dazu braucht man gute Schlüsselwörter wie zum Beispiel: Kooperation, Solidarität, Vernetzung, Nachhaltigkeit etc.

Prinzipien
Ich bin, wie dargestellt, seit 2006 aktiver Teil dieser Entwicklung und daher ist mir völlig klar: die damals neuen Programme gaben kulturinteressierte Menschen mit ganz unterschiedlichen Interessen und Motiven eine Möglichkeit, kulturelle Prozesse und Formen der Gegenwartskunst in Bereiche der Regionalentwicklung einzubinden. Ich war bloß einer davon und meine Interessensschwerpunkte sind nicht repräsentativ.

Aber genau das ist vermutlich ein typischer Aspekt der Bestrebungen, über Kirchturm und Tellerrand hinauszublicken, dabei auch eine Horizont zu sichern, der europäische Dimension hat. Die Vielfalt der Motive sowie der unausweichlich der Umgang mit Differenzen.

Das ist europäisch. Wer dabei Dissens als Anregung erlebt, hat die Nase im Wind. Wer meint, man könne „Wahrheiten“ herstellen, indem man Widersprüche eliminiert, hält die ganze Partie unnötig auf. (Die Projekte der „Energieregion“)

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Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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