Wir sind durch Corona in unseren Fundamenten erwischt worden. Das ist inzwischen eine Art Kontinentalverschiebung vertrauter Zusammenhänge. Ich bin im 19. Jahr meines auf 20 Jahre angelegten Kunstprojektes „The Long Distance Howl“ angekommen. Womit im Auftakt nicht zu rechnen war: Da ist nun diese Pandemie, von der auch mein letztes Projektjahr (2022) noch bestimmt sein wird; im Sinn einer Adaptionsphase.
Dahinter steht keinesfalls ein Art Rückkehr zu Arten von „Normalität“, wie wir sie kannten. Zugleich hat meine Betrachtung der jüngeren Vergangenheit den Eindruck akzentuiert, daß ab 2010 ein markanter Prozeß erfahrbar wurde, der zwischen 2015 und 2020 eine Ära enden ließ. Eine Ära in meinem gesamten Berufszweig, aber höchstwahrscheinlich viel weitreichender.
Ich bin darüber unter anderem deshalb so verdutzt, weil es zum Beispiel in der Geschichtsschreibung immer knifflig ist, eine Ära zu definieren und mit Jahreszahlen zu versehen.
Ich hatte 2002 im Rahmen unserer „Verschwörung der Poeten“ ein Gefühl von Umbruch gehabt und daraus das Konzept für „The Long Distance Howl“ abgeleitet, um damit 2003 loszulegen. Nun wird mein persönlich definierter Abschluß dieses Prozesses von weit größeren Kräftespielen mit so einprägsamen Ereignissen markiert.
Ich hab 2003 einen Lyrikband präsentiert. Dazu konzipierten wir in kleiner Runde die Session „Kraft der Poesie“, um daraus einen sehr lebhaften Abend im Gleisdorfer Forum Kloster zu machen. An meiner Seite war damals unter anderem Musiker Oliver Mally.
Mit ihm verbindet mich aus dem ersten Corona-Jahr heraus eine intensiv belebte Verständigungsebene, die wir vor wenigen Wochen in ein Vorhaben geführt haben, das wir „Origami Ninja Association“ nennen.
So entstand ein Duo-Projekt aus dem, was ich für meinen Teil eben noch in „Next Concept Vertigo“ bearbeitet hatte. Was ich diesbezüglich mit Mally teile, ist die fundierte Praxis eines Lebens in der Kunst, das nicht nur von der Befassung mit Kunst handelt, aber in allen Schritten auf die Kunst ausgerichtet ist.
Es ist so selbstverständlich, daß es vielen Menschen offenkundig nicht klar zu sein scheint: Trennschärfe! Unsere Beziehungen und unsere Alltagsbewältigung sind keine Teile der Kunst. Wir befassen uns mit Wissens- und Klebearbeit, aber auch mit Kulturmanagement. Überdies mit kulturpolitischen Fragen. Das hängt alles zusammen, ist jedoch ebenfalls nicht Teil der Kunst.
Doch wenn wir über Telos reden, wo andere mit der Floskel „Sinn des Lebens“ ungenau bleiben, wenn wir darüber sprechen, daß unser Tun zielgerichtet ist, dann steht da die Kunst im Fokus. Unsere Kunstpraxis berührt diesen Bereich. Aber die Kunst bleibt autonom, ist nicht den anderen Zwecken unterworfen.
Kunst ist kein „Mittel um zu…“, ist kein soziokulturelles Reparatur-Set, um irgendwelche gesellschaftlichen Defizite zu bearbeiten. „The Long Distance Howl“ faßt diese Aspekte freilich eng zusammen, weshalb ich auch von „Art Under Net Conditions“ rede, also von Kunst unter Bedingungen der Vernetzung.
+) Das neunzehnte Jahr
+) The Long Distance Howl
+) Next Concept Vertigo
+) Origami Ninja Association