Die Aktion #allesdichtmachen mißfällt mir enorm. Es ist mir schleierhaft, wie und weshalb ein so großes Kollektiv eine so schlechte Arbeit abliefern kann. Das ist Boulevard! Gut, Yellow Press ist eben ein Teil unseres Lebens.
Aber es betrifft mein Metier, das Kunstvölkchen. Dieser erhebliche Aufwand, mit dem hier Künstlerinnen und Künstler zur Sache gingen, das große Medienecho, es hat Wirkung auf mein Berufsfeld. Daher dieses Statement. Ich nennen meine Gründe.
Aber zuvor mache ich meine Position kenntlich, aus der ich urteile, damit nachvollziehbar wird, warum ich diese Kampagne mißbillige und was mich daran so stört.
Ich bin nun seit fast schon 60 Jahren ein leidenschaftlich Lesender. Außerdem sehe ich mir Filme und Dokumentationen an, seit ich darauf Zugriff habe. Das führt zu Wahrnehmungserfahrungen, die meinen Geschmack prägen und mein Urteil färben.
Ich war nach Durchsicht etlicher der Videos vollkommen konsterniert, wie hoch der Anteil grottenschlechter Texte ist, ungefähr von jener Art, die wir als Kinder so quittiert haben: „Witz, komm raus, du bist umzingelt!“ (Er kam nicht raus, er war nicht zuhause.)
Das Gros der Texte, ich werde einige exemplarisch nennen, erscheint mir geistlos, flach, ohne gute Pointe. Dazu kommt, daß ich bei vielen Videos von der schwachen Performance im Vortrag verdutzt war. (Muß ich annehmen, diese Leute glänzen nur, wenn das Drehbuch phantastisch und die Regie herausragend sind, auf daß man sie angemessen führt?)
Woran ist mein Geschmack geschult? Einige Beispiele. Ich hab an Josef Hader oder Lukas Resetarits Vergnügen. Ich kann sehr gut ohne Alf Poier oder Roland Düringer leben. Ich finde Gerburg Jahnke hinreißend, während Enissa Amani mich in ein Spontankoma stößt. Klaus Eckel unterhält mich vorzüglich, zu Chris Tall fällt mir gar nichts ein.
Als mir die Aktion #allesdichtmachen auffiel, las ich zuerst das Mission Statement auf der Website. (Ich fand die Lektüre des Impressums spannender!) Dann rief ich den Clip mit Ulrich Tukur auf, weil ich ihn für einen hochkarätige Schauspieler halte. Souveräne Performance. Der Text erschien mir etwas grenzwertig.
Danach mußte es Nicholas Ofczarek sein, der als Künstler ja auch einiges auf die Waage bringt. Die erste markante Enttäuschung. Unerhebliches Textchen, witzlos, runtergeschludert. Ich hab nicht verstanden, weshalb jemand von Ofczareks Reputation so schlampig abliefert.
Also zu Manuel Rubey, um einen von den Jungen zu hören. Schwamm drüber! Dann doch lieber Heike Makatsch. Und Jan Josef Liefers. Erfahren Leute. Renommiert. Zum Makatsch-Clip fiel mir nichts ein; er war eh schnell vorbei.
Und Liefers? Bedaure! Da ist er ja als outrierender Professor Karl-Friedrich Boerne im „Tatort“ vergleichswese zum Schreien komisch. Sein nachgeschobenes Statement in der Talkshow „3nach9“ gab mir den Rest. Nichts daran funkelt, nichts kommt auf den Punkt.
Ich versuchte es noch mit Volker Bruch, winkte ab, schwenkte nach Österreich zurück, um Roland Düringer und Nina Proll zu hören. Würde Peter Lotschak, ein erfahrener Regisseur, eventuell erwägen, diese beiden Kräfte bei der hier vorliegenden Leistung für die Gleisdofer Faschingsshow im Forum Kloster zu engagieren. Ich bezweifle das.
Nun verzichte ich darauf, die Texte, über die ich zu staunen hatte, bezüglich der Inhalte detailliert zu kommentieren. Wir haben in Österreich ein enorme Kabarett-Tradition und nichts, was ich hier gehört hab, kann sich auch nur mit dem Durchschnitt dessen messen, was wir kennen.
Zum Abschluß noch ein bemerkenswertes Detail. Laut die Presse stammen die Inhalte ganz wesentlich von Regisseur Dietrich Brüggemann. Deshalb warf ich auch seinen Clip an und meine: Maturazeitungs-Niveau. Die Presse berichtet ferner: „Die Empörung über #allesdichtmachen nennt er nun ‚faschistoid‘“.
Ist das ein dummer Bub? Womit habe ich es hier zu tun? Ich würde erstens gerne seinen Faschismusbegriff erfahren und nehme an: er hat keinen. Zweitens verrät ja schon die Verwendung des Wortes „faschistoid“, daß er bloß so ungefähr dahinschwadroniert, denn dieser Begriff ist ein Superbeispiel für das Genre „Trübe Kategorien“. (Dagegen war Hanns Zischler in seinem Take ein Wunder an Präzision.)
Wer kennt dieses Bonmot von Karl Kraus? „Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht…“ Aber neben Altmeister Kraus fühle auch ich mich natürlich wie ein ungemachtes Bett zu Füßen des Erzengel Gabriel. (Nebenbei: diese Metapher hab ich geklaut.)
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