Wie oft habe ich es erlebt, daß jemand völlig unvorbereitet auf eine Bühne oder vor das Publikum hintritt und total runterleert. Es ist wie beim schnellen Autofahren. Die meisten Leute sind nicht halb so gut wie sie selbst glauben. Ein paar Sager raushauen und dann auch noch über die eigenen Witzchen lachen, damit ein Publikum sich angeregt fühlt…
Es gibt manchmal überraschende Talente, die glänzen mit Geist und Redegewandtheit, ohne sich erst die Ärmel hochkrempeln zu müssen. Das kommt vor, ist aber sehr selten. Für den Rest, für Leute wie mich, gilt hauptsächlich: Professionalität kommt durch Arbeitszeit. (Oder wie es schon in Antike hieß: Per aspera ad astra.)
Kulturpolitik ist Arbeit, die nach Kompetenzen verlangt. Ich pfeif auf Inspiration und auf Visionen. Leute, die von sich selbst ergriffen sind, weil sie sich in Sachen Kunst „berufen“ fühlen, können mir den Buckel runterrutschen. Sprüchlein wie „Beruf als Berufung“ möchte ich der Theologie überlassen.
Mich hat niemand und nichts berufen. In einem Prozeß der Selbstermächtigung habe ich mir diese uralte menschliche Eigenschaft erschlossen: das symbolische Denken. Ein Fundament der Kunstpraxis. Zu diesem sehr persönlichen Prozeß kommt meine Berufstätigkeit als Künstler, meine Profession.
Das bedeutet primär, ich bemühe mich, mein Handwerk zu verstehen und meine Werkzeuge zu beherrschen. Dazu kommt der Umstand: Gelderwerb ist keine Kategorie der Kunst, sondern eine soziale Kategorie. Das wird gerne verwechselt, oft versehentlich, manchmal berechnend.
Ich bin also Künstler, weil ich das so entschieden hab. Ich über einen Beruf aus. Damit bin ich eines von mehreren Gegenübern der Kulturpolitik. Wie in der vorigen Glosse zu notieren war, ich verstehe Politik im kulturgeschichtlichen Sinn als ein Wechselspiel zwischen den zwei Feldern Staatskunst (betrifft Politeia) und Gemeinwesen (betrifft Polis).
Politik ist daher nicht bloß das, was Funktionstragende der Politik tun. Erst im Wechselspiel ihrer Aktivitäten mit der Zivilgesellschaft wird daraus Politik. Wo das vom politischen Personal ignoriert oder unterschätzt wird, hat man nicht verstanden, was Res publica bedeutet; die Republik.
Das gilt aber umgekehrt ebenso: Bürgerinnen und Bürger, denen das Gemeinwesen bloß als Serviceeinrichtung dient, um dort Wünsche und Anliegen zu deponieren, genießen ein demokratiefreies Denken.
So komme ich zu den im Titel erwähnten drei Sektoren: Staat, Markt und Zivilgesellschaft. Das meint jeweils a) Politik & Verwaltung, b) Wirtschaftstreibende und c) Menschen, aber auch Rechtspersonen (z.B. Vereine) des Gemeinwesens.
Wer übrigens Politik und Verwaltung nicht zu unterscheiden weiß, hat ebenfalls ein verpeiltes Demokratieverständnis; oder fragwürdige Intentionen. Komischerweise kommt das sogar in manchem Rathaus vor, wo man Politik und Verwaltung nicht in klaren und klar unterscheidbaren Rollen kennt.
Ergo ist eine Politik ohne vitale Interaktion zwischen Polis und Politeia keine Politik, sondern politischer Pfusch. Und Interaktion zwischen sowie Kooperation von Staat, Markt und Zivilgesellschaft (als den drei wesentlichen Sektoren) sollten in der Res publica gegeben und hinreichend transparent sein. Das ist derzeit nicht unser Status quo, aber dahin sollte eine nächste Kulturpolitik zielen.
Siehe dazu auch: „Mein Beruf“ (Zu einer fälligen Debatte) als Beitrag zu einer aktuellen Standortbestimmung und als Gegenposition zu jener Legendenbildung, die ich selbst in meiner Generation noch finde.
+) Origami Ninja Association
+) Für eine nächste Kulturpolitik