Der klassische steirische Kulturreferent (seltener: die Kulturreferentin), eröffnet Kulturveranstaltungen, verwaltet Kulturbudgets und arbeitet dem Citymanagement zu, wahlweise dem Fremdenverkehrsausschuß.
Dieser Typus ist zwar gelegentlich mit Ausnahmeerscheinungen konfrontiert, erweist sich aber gewöhnlich gegen alle Arten von verändernden Einflüssen als resistent. (Ich denke, den Begriff Grüßaugust, der mich sehr amüsiert und den ich enorm treffend finde, habe ich aus Deutschland übernommen.)
Verstehen Sie mich recht, mir liegt nichts daran, Kulturpolitiker anzupöbeln. Viele Leute aus meinem Milieu halten das schon für kulturpolitisches Handeln. Das ist aber bloß schlechtes Benehmen, mit dem jemand entweder inhaltliche Schwäche oder mangelnde Professionalität kaschiert, oft beides.
Ich hab im vorigen Beitrag „Zentrum / Provinz“ von einer kulturpolitischen Debatte in Graz erzählt, durch die mir klar wurde: wir müssen reden! Darin liegt einer der Gründe, warum ich jetzt beim Typus Grüßaugust ansetze. Diese Pose Funktionstragender ist zwar legitim, aber sie ist voriges Jahrhundert. Irgendwo muß also mit der Erörterung begonnen werden.
Dazu gehört auch Kenntnis vom Umstand, daß Zentren einst entstanden sind, indem sie ihre Peripherie zur Provinz gemacht haben, indem sie von dort Ressourcen abzogen, dank derer sie wachsen konnten. (Lesen Sie diesen Satz ruhig zweimal, ich mußte es auch!)
Ein Zentrum ist nicht deshalb Zentrum, weil dort Menschen von singulärer Exzellenz leben, während wir Provinzler bloß provinziell sind. Der Zugriff auf Ressourcen und auf die Verhaltensweisen von Menschen ist eine Grundübung der Machtergreifung; und der Zentralisierung.
Es braucht dann vorrangig noch zweierlei: Rechtssicherheit und Definitionshoheit. Das bedeutet: was ich habe, gehört mir und kann mir nicht streitig gemacht werden. Außerdem sage ich, was die Dinge sind und bedeuten, Widerworte werden sanktioniert. (Lesen Sie dies auch das ruhig zweimal, ich mußte es ebenso!)
Damit wäre mein Ausgangspunkt für die Kolumne markiert, die ich mit „Kupo“ überschreiben will, was – Sie haben es erraten! – für Kulturpolitik steht. Dazu habe ich mich mit Musiker Oliver Mally abgesprochen. Als wir beide die Origami Ninja Association formierten, waren wir uns einig: kein Pöbeln, kein Runterziehen, sondern Sachkompetenz, folglich eine inhaltliche relevante Arbeit, Esprit, und natürlich Gaude. (Wenn es keinen Spaß machen kann, brauche ich es nicht.)
Interlude: Beachten Sie bitte, wir sind beide Provinzler. Mally lebt in der Süd-, ich in der Oststeiermark.
Weiter! Ich verstehe Politik – im Sinn unserer Kulturgeschichte – als ein Wechselspiel zwischen zwei Feldern, die auch den Begriff ergeben haben. Die Staatskunst (betrifft Politeia) und das Gemeinwesen (betrifft Polis).
Der etwas antiquierte Begriff Staatskunst mein die gute Staatsführung. Vor dem Hintergrund, daß Volkswirtschaft, Betriebswirtschaft und Hauswirtschaft höchst unterschiedliche Angelegenheiten sind, hat nun Kulturpolitik ganz verschiedene inhaltliche und ökonomische Zusammenhänge, die uns nicht rätselhaft sein sollten.
Sehe ich mich in meinem Metier um, fällt mir auf: wir haben Klärungsbedarf! Ich denke schon eine Weile über eine nächste (!) Kulturpolitik nach, die ich daran bemesse, daß ich mich heute Dingen zuwenden soll, die jetzt noch nicht gedacht werden können, weil sie hinter dem nächsten Horizont liegen.
PS:
Gestern titelte die Presse „Bildung nicht mehr am Radar“ und zitierte Sozialdemokrat Hannes Androsch zu dessen Rückblick auf zehn Jahre: „Ich bin bitter enttäuscht“. (Hat das was mit unserem Thema zu tun?)
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