Meine kleine Serie „Jahre und Zahlenspiele“ entstand aus einer einzelnen Notiz, die ich mir gemacht habe, um in einer komplexen Themenstellung den Überblick zu bewahren. Ich hab in verschiedenen Glossen die Jahre 1909, 1914, 1920 und 1933 hervorgehoben.
Da fand ich jeweils besondere Markierungen in einem komplexen Prozeß, der die Welt verändert hat. Den Großen Krieg, die kurze Zwischenkriegszeit und den Zweiten Weltkrieg deute ich dabei als Zweiten Dreißigjährigen Krieg Europas.
Ich hab mir diese Geschichte nach der Lektüre spezieller Reiseaufzeichnungen näher angesehen. Erzherzog Johann von Österreich besuchte 1815/1816 England, die damals führende Industrienation der Welt. Dabei war er auch Gast von James Watt, der die Dampfmaschine optimiert hatte.
Quer durch das 19. Jahrhundert hatten dann vor allem Deutschland und die USA zu den Briten technisch aufgeschlossen, sie letztlich sogar überholt. Österreich-Ungarn verfügte ebenfalls über zahlreiche Talente, von Handwerkern und Bastlern bis zu Ingenieuren, stand aber nicht im gleichen Rang.
Mit dem Anbrechen des 20. Jahrhunderts war die ganze Welt in der Industriellen Revolution eine völlig andere geworden. Der technische Fortschritt befeuerte den Wunsch von Eliten, Rohstoffquellen zu plündern, Arbeitskräfte zu verbrauchen und Absatzmärkte zu erobern. Die Dampfmaschinenoderne wurde zu einer neuen Kolonialzeit.
Das war unter anderem der eigentliche Grund des Ersten Weltkriegs. Aus dieser Dynamik sind wir in Europa nie mehr herausgetreten. Das hat alles dazu geführt, innerhalb meiner Lebensspanne zwei (!) industrielle Revolutionen stattfinden zu lassen. Ausdruck einer unfaßbaren Beschleunigung im Dasein unserer Spezies. Diese Dynamik entfaltete sich in rund zweihundert Jahren permanenter technischer Revolution.
Ich bemühe mich hier, in dieser kleinen Reihe von Glossen etwas anschaulich zu machen, was in so kurzer Zeit aus technischen Implikationen zu kulturellen Codes wurde, die unsere sozialen Verhältnisse radikal verändert haben.
Ich gehe dabei eher assoziativ vor, nimm visuelle Eindrücke als Ausgangspunkte. Anläßlich einzelner Artefakte lege ich kleine Texte vor, die vor allem auch Schnittpunkte sichtbar machen sollen, wo Kunst, Handwerk, Technik, Wissenschaft ineinander gehen.
Das führt zu Stichwort-Ensembles wie Avantgarde und Art decó, Stromlinie, Tropfen und Flügel etc. Ich hab das hier als einen Beitrag zu Mythos Puch VIII (2021) angelegt, denn das vorangegangene Jahr war durch Pandemiebestimmungen so unberechenbar, da blieb wenigstens derlei inhaltliche Arbeit eine Ebene, auf der Kontinuität verläßlich hergestellt werden konnte.
Die oberste Grafik stammt aus dem Kapitel „15. Der Angriffspunkt des Luftwiderstandes beim abwärts geschlagenen Vogelflügel.“ aus: „Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst.“ Ein Beitrag zur Systematik der Flugtechnik. Auf Grund zahlreicher von O. und G. Lilienthal ausgeführter Versuche, bearbeitet von Otto Lilienthal, Ingenieur und Maschinenfabrikant in Berlin. (Berlin 1889. R. Gaertners Verlagsbuchhandlung) Die zweite Grafik stammt aus dem Anhang des Buches.