Hafermotor, Wikinger und Lartigue
Der Stanley Woggle-Bug von 1902. Der Blitzen-Benz von 1909. Der Rumpler Tropfenwagen von 1921. Das sind bloß einige Beispiele, die ich hier schon vorgestellt hab, mit denen die Ablöse des „Kentaurischen Paktes“ vorankam.
Mehrere tausend Jahre war das Pferd die leistungsfähigste Tempomaschine des Menschen gewesen und der „Hafermotor“ ermöglichte die Erfahrung von Geschwindigkeiten jenseits dessen, wozu wir von der Natur ausgestattet sind.
In diesem Zusammenhang wäre noch an Langboote zu denken, wie sie uns in Stein geritzte Zeichnungen von Norwegen im Norden bis Griechenland im Süden Europas zeigen. In dem vermutlich um 800 gebauten Oseberg-Schiff ist uns ein beeindruckendes Beispiel erhalten.
Dieser exzellent geformte Schiffsrumpf – in Verbindung mit einem großen Segel und reichlich Rückenwind – dürfte ein erhebliche Tempoerfahrung erlaubt haben. Mit guten Langbooten der Vikinger konnten 14 bis 15 Knoten erreicht werden.
Zum Vergleich: ein modernes Einrumpfschiff auf Rekordfahrt macht heute eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 25,75 Knoten (= 47,68 km/h). Dagegen sind 15 Knoten 27,78 km/h. (Ich bin zur Zeit von aktuellen Renn-Katamaranen höchst beeindruckt, würde aber hart am Wind lieber nicht an Bord sein.)
Kleiner Zeitsprung. Es gibt ein bedeutendes Foto von Jacques-Henri Lartigue, das ihm ursprünglich als eher mißlungen galt. Es wurde aber zu einer Ikone und ich nehme an, Sie haben es schon öfter gesehen; zum Beispiel auf dem Cover des Buches „Der taumelnde Kontinent: Europa 1900 – 1914“ von Philipp Blom.
Lartigue erwischte beim Grand Prix de l’Automobile Club de France in Dieppe 1912 einen Delage. Der wäre ihm, wie man sieht, fast ausgekommen. Diese Fotografie steht für eine Epoche. Noch saßen die Piloten halbwegs im Freien. Zwanzig Jahre später wurden sie in Stromlinien-Karosserien eingehüllt und machten enormes Tempo.
Aber wie schon notiert, das bedeutet vor allem, es gewann an Breite und Tiefe, was man vorher schon erreicht hatte: das Überfahren der 200 Km/h-Marke. In den 1930ern wurden Rennsporterfolge massiv zu einem Kampf um Prestige; nicht nur für die Hersteller, auch für Nationen. [Vorlauf] [Fortsetzung]