Avantgarde und Art decó
Ich hab diese Jahre 1909, 1914, 1920 und 1933 nun an mehreren Stellen meiner Notizen erwähnt. Da sind jeweils Entwicklungen und Phänomene deutlich geworden, deren Effekte unsere heutiges Leben prägen. Dieses gegenwärtige Leben, das aber seinerseits in einen fundamentalen Umbruch gekommen ist.
Im Jahr 1909, als Bleriót mit seinem epochalen Eindecker als erster Mensch den Ärmelkanal überflog, machten Konstruktionserfolge und Motorenentwicklung einen gewaltigen Sprung. Damit schob der Fortschritt vor allem bei Automobilismus und Luftfahrt die Ereignisse enorm an. Siehe dazu: „Aviatik und Akrobatik“ (Was sich rund um 1909 verdichtet hat)
Ein Schlüsselwerk dieser Zeit ist das „futuristische Manifest“. Filippo Tommaso Marinetti veröffentlichte es am 20. Februar 1909 in der französischen Zeitung Le Figaro. Die Ära des Futurismus zeigte in der Kunst vieles, was sich bei den Menschen in der Wahrnehmung der Welt verschoben hatte.
Von da bis 1914, dem Beginn des Großen Krieges, etablierte sich die Zweite Industrielle Revolution. Ihre neuen Produktionsweisen durch Automatisierungsschritte veränderten unsere Güterwelt radikal. Das äußerte sich nirgends grundlegender als in jenem ersten umfassend mechanisierten und motorisierten Krieg der Menschheitsgeschichte, den die Habsburger nach den Schüssen von Sarajevo losgetreten hatten.
Vom 19. Dezember 1915 bis zum 19. Januar 1916 fand im heutigen St. Petersburg die „Letzte futuristische Gemäldeausstellung 0.10“ statt. Dabei wurde erstmals das „Viereck“ von Kasimir Malewitsch gezeigt, später bekannt als „Schwarzes Quadrat auf weißem Grund“. Für mich ein Schlüsselwerk des 20. Jahrhunderts… Die nackte Ikone.
Im Jahr 1920 hatte die Entwicklung von Metallurgie und Technik das Werden neuer, kompakter Automobile ermöglicht. Ich hab das auf meinen „Routen“ an zwei Modellen exemplarisch festgemacht. An Porsches Rennwagen Austro Daimler ADS R („Sascha“) und an Ledwinkas Serienfahrzeug Tratra 11 („Tatritschek“).
Dazu kam in den USA zwischen 1920 bis 1933 eine Alkoholprohibition, während der Schwarzbrenner („Moonshiner“) und Alkoholschmuggler Automobile optimiert, also sehr schnell gemacht haben, um der Polizei bei einem „Liquor Run“ notfalls davonfahren zu können. Das gab später wesentliche Impulse für automobile Subkulturen. Siehe dazu: „Donnergrollen als Vergnügen“ (Customizing und Hot Rodding)
So waren allerhand Wege geebnet, die aber in Europa erst nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer Volksmotorisierung geführt haben. Es ging um preiswerte Flottenfahrzeuge. Der Zwischenschritt zeigte sich exemplarisch in Giacosas Fiat 500 („Topolino“) und in Jenschkes Steyr 50 („Baby“). Siehe dazu: „Mäuschen und Baby“! Die Stromlinie machte Furore, wurde erst ein technischer, dann ein kultureller Code. [Fortsetzung]