Die Stadt Weiz verschickt ihr Kulturprogramm, als ob 2020 nichts gewesen wäre. Die Stadt Gleisdorf verschickt ihr Kulturprogramm, als ob 2020 nichts gewesen wäre. Die Oberfläche hat sich bloß leicht gekräuselt. Was darunter liegt, ist vorerst noch in Schweigsamkeit verpackt.
Mir hat das Krisenjahr 2020 sehr geholfen, ein paar Zusammenhänge klarer zu sehen. Wo wir nun angekommen sind, entstand nicht durch die aktuelle Pandemie und jene Maßnahmen, mit denen darauf reagiert wurde.
Das hat mit der Weltwirtschaftskrise von 2008/2009 (Lehman Brothers & Co.) begonnen, wurde etwa 2010 bei uns manifest und hat sich 2015 zu einer radikalen Faktenlage verdichtet. Mir scheint inzwischen klar, daß zwischen 2015 und 2020 eine Ära geendet hat, die aus dem kulturpolitischen Alltag Prämissen wegwischt, die mir wenigstens 30 Jahre sehr wichtig waren.
Blöd? Traurig? Eher banal. Ich hab eben erst zu verstehen begonnen, daß sich hier kein individuelles Mißgeschick ausdrückt, sondern daß ich innerhalb eines größeren Kräftespiels etliche meiner Optionen aufgeben muß; eben weil eine Ära sich nicht erst dem Ende zuneigt, sondern inzwischen geendet hat.
Ein Stück Vorgeschichte
Ich hab im Jahr 1988 begonnen, mich auf die Optionen eine regionalen Kulturarbeit im Sinn einer eigenständigen Regionalentwicklung zu konzentrieren. Das war unausweichlich eine Vorstellung von kollektiver Kulturarbeit. Die blieb zwingend darauf abgestellt, alte Gefälle im Denkmodell „Zentrum/Provinz“ einzuebnen.
Debatten und Fragen zur praktischen Arbeit wurden an einigen exponierten Personen wie Hans und Gerlinde Haid (Österreich) oder Albert Herrenknecht (Deutschland) festgemacht. In meiner Hausbibliothek landeten Bücher von Paulo Freire bis Hermann Glaser und Hilmar Hoffmann. Aber auch Frantz Fanon oder Ken Saro-Wiwa.
Wir arbeiteten unter der selbstgewählten Anforderung, Aktion und Reflexion beisammenzuhalten. Das hat in meiner Region zu einer Entwicklung geführt, die im Rückblick eine spannende Verlaufskurve sichtbar macht. Aber das ist Geschichte.
Umbruch
Womit ich geraume Zeit nicht gerechnet hätte, was ich nun aber für evident halte: es ist vorbei. Das zeigt sich am individuellen Verhalten vieler Kreativer in der Region, das zeigt sich daran, wie heute gut eingeführte Formationen agieren.
Kurz zusammengefaßt: regelmäßige Arbeitstreffen sind aus der Mode gekommen, kritische Diskurse sind verstummt, es ist in weiten Bereichen wieder gültig, was wir vor rund 30 Jahren feststellen konnten; nämlich: wenn wir nicht klären, was Kunst ist und wie Kulturpolitik beschaffen sein soll, werden das Politik und Wirtschaft gerne für uns erledigen.
Ich sehe in der Oststeiermark derzeit praktisch keine Ausnahmen einer Selbstbehauptung Kreativer gegenüber der Funktionärswelt. Aber vielleicht ist das eine schlüssige Reaktion auf Verunsicherung plus Gefährdung, wie sie 2020 manifest wurden.
Ich hatte einige Zeit das Gefühl, einfach aus der Welt gefallen zu sein. Dieser Zustand milderte sich über die Monate und erhielt sich im Eindruck, nun von meinem Kontinent heruntergefallen zu sein. (Das schien mir etwas erträglicher.)
Für mich wurde dann der 30. August 2020 zu einer Markierung, die den Beginn eines neuen Abschnitts verdeutlicht. Das ist in den Notizen unter dem Titel „Ab August 2020“ zusammengefaßt.
Damit endet auch das Teilprojekt „Tesserakt“. Nun habe ich meine weitere Arbeit unter „Next Concept Vertigo“ gebündelt: [Link]
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