[Teil III] Rechts, Mitte und Links. Auf wilder See heftiger Diskurse wie auch im ruhigen Hafen der Sozialpartnerschaft verweisen wir zur Orientierung gerne auf drei politische Positionslichter, nicht bloß zwei. Die nützen uns, wenn wir über Koordinaten nachdenken. Es macht deutlich, daß wir weit mehr über Relationen als über Positionen reden.
Wechseln Rechte oder Linke ihre Standpunkte, ist die Mitte automatisch woanders. Links von Dschingis Khan ist immer links, kann aber dennoch sehr weit rechts sein. Geht man lange genug nach links, kommt man plötzlich rechts an. Klar? Klar!
Ich sehe mir gelegentlich an, wie Andreas Mölzer und Robert Misik bei „Fellner live“ recht entspannte Debatten führen, ohne einander Heftigkeiten zuzumuten, wie sie mit Herbert Kickl wohl unausweichlich wären.
Mölzer hat kein Problem, sich als Rechten darzustellen. Misik ist deklarierter Linker im Lager des Sozialdemokratie. Das ist aber ein etwas anderes Links, als jenes, das FP-Generalsekretär Christian Hafenecker ansprach: „Eine Mitte-Rechts-Regierung wird mit Kogler und Co. wohl nicht möglich sein“. (Quelle)
Es besagt implizit, wir hätten derzeit eine Mitte-Links-Regierung. Damit meint Hafenecker klarerweise Türkis-Grün. Dagegen zitierte Addendum den aktuellen Kanzler im Jahr 1919 so: „Sebastian Kurz sagte vor der Wahl, er wolle eine ‚ordentliche Mitte-Rechts-Politik‘ fortführen“. (Quelle)
Dabei hieß es doch 2017 in der FAZ „Kaum ein Politiker will heute noch rechts sein“. (Quelle) Die FPÖ will schon. Nun haben wir eine Deutung der Positionen im Links-Mitte-Rechts-Schema aus der Sicht von exponierten Akteuren.
Ich bin so frei, die Türkisen nach wie vor für Schwarze zu halten, also für Christlichsoziale, also für die ÖVP. Das Türkise erscheint mir als die Lackierung eines beeindruckenden PR-Coups, der die VP nach innen erschüttert haben muß und nach außen in die Regierung brachte.
Die VP hält sich also für die Mitte. Und Beate Meinl-Reisinger ließ 2018 per Presseaussendung wissen: „NEOS als Bewegung aus der Mitte für die Mitte der Gesellschaft“. (Quelle)
Die FPÖ darf rechts notiert werden, Grüne und Sozis sind offenbar zweierlei Links. Aber ich vermute, weite Teile der SP halten sich ebenfalls für die Mitte. (In der Steiermark ist genau das kürzlich für die Landes-SPÖ total schiefgegangen.)
Blicke ich auf den Bezirk Weiz, ist die ÖVP-Mitte sehr dominant. Die Sozialdemokratie ist… hm, räusper, hüstel, links nicht zu finden. Da hat sich allerhand ländliche Bourgeoisie restauriert, was ich mir eigentlich nicht erklären kann.
Vor allem deshalb, weil die einstige Armut der Region nicht aus den mehrheitlich kleinen Selbstversorger-Wirtschaften heraus von der bäuerlichen Welt genommen werden konnte, sondern durch ein partielle Industrialisierung der Oststeiermak.
Bei den Grünen finde ich – zumindest im Basisbereich – sehr linke und sehr bürgerliche Positionen, aber dann unter jenen, die den Begriff Grün beanspruchen, auch ziemlich rechte Ausreißer und einige esoterische Karfunkelsteine.
Mitten in diesen changierenden Dunstkreisen ereignet sich der Prozeß gegen Charles Quintin LeMonds und drei weitere Angeklagte. Ein Verfahren, in dem es um eine politische Situation geht, um deren Verhalten bei einer Wahlveranstaltung der FPÖ in Gleisdorf.
Das geschieht in einer Situation, wo vielen gerade erst zu dämmern beginnt, daß wir uns mitten in der Vierten Industriellen Revolution befinden. Im letzten Jahrhundert hatte der Adel abtreten müssen und deren vom Gottesgnadentum geprägtes Narrativ wurde von zwei anderen Erzählungen abgelöst.
Auf dem Boden vormals Westroms ging es in den Faschismus, auf dem Terrain des einstmals Oströmischen Reiches etablierte sich der Sozialismus als Kommunismus. Da klappte die Zuschreibung rechts und links noch anstandslos.
Diese Narrative wurden von der Erzählung über die liberale Demokratie abgelöst. Darin sind Rechts, Mitte und Links sehr nuancenreich geworden, zeigen stellenweise irritierende Überschneidungen.
Es weist viel darauf hin, daß dieses Narrativ als sinnstiftende Erzählung nun auch schon Geschichte sei. Daher sollten wir uns über die Landkarte politischer Bedeutungen aktuell verständigen. Hier in der Provinz ebenfalls, denn wir sind in eine globale Wirtschaft verwoben und mit einer weltumspannenden Info-Sphäre verknüpft. Nichts ist egal. Alles hat Konsequenzen… [Fortsetzung]
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