[Teil I] Im 20. Jahrhundert bekam die alte Polarisierung neue Schärfe. Die Konfrontation „rechts der Adel, links das Bürgertum“ war da freilich Geschichte. Die Erste Industrielle Revolution hatten das Set völlig verändert. Die politischen Positionslichter „links“ und „rechts“ bekamen ganz andere Konnotationen.
Einige Dynastien haben durch die hausgemachte Katastrophe des Großen Krieges von der politischen Bühne abtreten müssen. Einen Umbruch wie die Russische Revolution von 1917 kannten unsere Leute nicht.
Der Wiener Vormärz hatte die inkompetenten Habsburger nicht aus der Regentschaft zu schütteln vermocht. Im Dezember 1848 trat der damals achtzehnjährige Franz Joseph sein Amt an, um ein weiterer regierungsuntauglicher Kaiser Österreichs zu werden.
Rußland wurde von den Bolschewiki in Richtung eines Arbeiter- und Bauernstaates geführt. Bei uns gingen nach dem Ersten Weltkrieg Christlichsoziale in den Austrofaschismus. Die Februarkämpfe von 1934 waren markierten einen Wendepunkt. Dabei gewann das Konzept vom Ständestaat (rechts) die Oberhand. Die Idee einer klassenlosen Gesellschaft (links) wurde niedergerungen. Der sozialdemokratische Schutzbund unterlag der christlich-sozial geprägten Heimwehr.
Deren „Korneuburger Eid“ macht anschaulich, wovon eine Position rechts der Sozialdemokratie damals handelte; zum Beispiel: „Der Staat ist die Verkörperung des Volksganzen, seine Macht und Führung wacht darüber, dass die Stände den Notwendigkeiten der Volksgemeinschaft eingeordnet bleiben.“ (Quelle)
Ein Bezugspunkt zur Steiermark. Der Arbeiter Koloman Wallisch entwickelte sich gewissermaßen zum Gegenspieler des Rechtsanwaltes und Heimatschutz-Führers Walter Pfriemer. Proletarier (links) und Bürger (rechts). Pfriemer durfte sein Leben bis 1968 genießen. Wallisch wurde 1934 hingerichtet.
Dazu ein interessantes Detail. Bert Brecht verfaßte die „Koloman Wallisch Kantate“, eine opulente Schilderung der Zusammenhänge aus linker Sicht. „In Leoben nah dem Erzberg / Nachts zur elften Stund / Hat man den Wallisch gehänget / Als einen roten Hund.“ (Quelle)
Das macht auch den Farbcode deutlich. Sozi = rot. (Christlichsozialer = schwarz.) Brecht war ohne jeden zweifel ein Linker. Das hindert aber aktuell den populären Rechtsextremisten Sven Liebich aus Halle nicht, Brecht über seinen Versandhandel zu vermarkten: „Brecht – Wo Recht zu Unrecht wird, ist Widerstand Pflicht“ (€0,99 – €15,99 inkl. MwSt. zzgl. Versandkosten).
Es gibt inzwischen eine Fülle von Hinweisen, daß rechts aufgestellte Leute mit Versatzstücken arbeiten, die als links makiert sind; und umgekehrt. Man bedient sich, wo und wie es gerade paßt. Wenn etwas nicht im politikwissenschaftlichen Kanon festzumachen ist, geht immer noch was mit der Esoterik.
Formationen wie etwa die „Krieger des Lichts“ vermantschen alles Brauchbare, um ein Generalangebot zu haben, bei dem – anlaßbezogen – praktisch alle aus jeder Position irgendwo andocken könnten.
Überprüft man gängigen Schwampf, so landet man oft bei quasi-faschistischer Selbstlegitimation, die den Primat der Tat betont und sich einer rationalen Debatte, vor allem rationaler Begründung, entzieht. Wie Hitler von der „Vorsehung“ geschwafelt hat, orakeln solche Herzchen ins Obskure hinein.
Ein Beispiel: „Ich BIN Krieger des Lichts. Nicht, weil mein Verstand dies sagt oder mein Ego dies so will. Ich bin es, weil dies von Anbeginn meine Wahl und meine Bestimmung ist. weil dies die Kraft und Qualität meiner Seele ist. weil ich schon immer bereit war, für Wahrheit und Gerechtigkeit einzutreten.“ (Quelle: „Zentrum des neuen Seins“)
Bei Hitler klang es so: „Dass die Vorsehung mich bestimmt hat, diese Handlung zu vollziehen, empfinde ich als die größte Gnade meines Lebens.“ [Fortsetzung]
+) Pfeifer im Sturm (Übersicht)
+) Ein Feuilleton (kulturpolitische Beiträge)