Die Profilbilder auf Facebook werden gerne als Kommunikationsmittel verwendet, mit Slogans verknüpft. Ich bin da keine Ausnahme. Aber ich stoße mich an manchen Attitüden und Botschaften. Die Covid-19-Pandemie hat zu allerhand Reaktionen geführt.
Ich fand eine der momentan kursierenden Banderolen besonders ärgerlich: „Ohne Kunst wird’s still“, produziert und promotet von einem Gesangs-Coach. Ich möchte diesen Coup unter Guerilla Marketing zählen und bin enttäusch von meinem Metier, sich diesen schlampig formulierten Satz anzuheften.
Die Kunst schweigt nie!
Sie schweigt nicht unter Androhung von Waffengewalt, nicht im Gulag oder in einem Foltercanp wie Keraterm, in keinem Fall. Ich halte außerdem die Beteuerung, daß Kunst „systemrelevant“ sei, für eine gedankliche Fehlleistung. Das ist keine angemessene Sprache zum Thema und belohnt leider begrifflich die Ökonomisierung all unserer Lebensbereiche.
Kunst ist als Teil der Conditio humana ein konstituierendes Element unserer Spezies. „Systemrelevante“ Systemteile kamen erst später zur Wirkung. Meine Einwände betreffs dieser Banderole habe ich hier notiert: „Die Kunst ist systemrelevant?“
Simon Brault
Ich hatte vor rund einem Jahrzehnt den schwarzen Kreis mit dem weißen X aus Kanada übernommen. Im Mai 2010 erschien das Buch „No Culture, No Future“ von Simon Brault, das ich mir in der damaligen Krisensituation beschafft habe. Brault, Director and CEO of the Canada Council for the Arts; hatte einen Diskussionsbeitrag vorgelegt, der mir passend erschien, die kulturpolitischen Debatten der Steiermark aus ihrer Recycling-Tendenz herauszulenken.
Da war freilich nichts zu machen. Ansichten wie die von Brault wurden bei uns nicht erörtert, nicht einmal zur Kenntnis genommen, stattdessen lieber verstaubte Forderungen wieder und wieder im Kreis geschickt. Dabei hatte uns alle Ende 2010 ein harter Schlag erwischt, der sich im Kielwasser jener Krisen entfaltete, die vom Crash der Lehman Brothers ausgelöst worden war. Ich erinnere:
„2011 war ja ein massives Krisenjahr, in dem jene Gemeinden, die überhaupt ein Kulturbudget haben oder hatten, Vollbremsungen einer weichen Kurskorrektur vorzogen. Wo etwa der Sozialbereich von schweren Defiziten betroffen war, hatte die Politik an vielen Orten kein Problem, den Kulturbereich als nachrangig bis überflüssig zu erachten und abzustellen.“ [Quelle]
Ich fassen etwas verkürzt zusammen: Unsere Versäumnisse in kulturpolitischen Fragen (mit „uns“ meine ich meinen Berufsstand) rächten sich damit, daß uns die Politik damals völlig im Stich gelassen hat. Eine Dekade später sehe ich, meine Branche hat daraus nichts gelernt. Ich zitiere aus einer Notiz, die auch Zahlen von damals nennt:
„Obwohl also diese Bewegung explizit eine des Sozial- UND Kulturbereiches ist, haben wir es nicht zustande gebracht, uns wenigstens dem eigenen Milieu und gewogenen Leuten mit einer sinnvollen und anregenden Aussage über unser Metier mitzuteilen.“ [Quelle]
Kleiner Einschub
Unter den „Session Descriptions, Notes and Presentations“ zur APASO 2018 – Austin, Texas befindet sich die KEYNOTE von Simon Brault („No Culture No Future Session“) und seine Keynote Presentation zum Download als WORD-Datei. [Quelle]
Gegen Stagnation und Kompetenzverlust
So lautete der Titel einer Kunst Ost-Notiz vom 14. Juli 2011. Die Einleitung: „sie kennen das problem? in einer konsumkultur lautet ein vorherrschendes prinzip: ich produziere, du kaufst! unsere erfahrung besagt, daß sich solche beziehungen auf beunruhigende art verselbstständigen und von den eigentlichen inhalten ablösen können.“ … [Quelle]
Ich nehme zur Kenntnis, daß wir ein Jahrzehnt vergeudet haben, um auf jenen Weckruf angemessen zu reagieren, der uns nach dem Lehman Brothers Crash erreicht hatte. Das zu beklagen ist müßig. Es ist viel Arbeit zu erledigen.
Ich rezensiere hier zwar noch den Abgang von Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek, aber ohne dabei auf ihre Person einzugehen, bloß auf die Amtsführung und auf die Inhalt ihrer Abschiedsrede: „Abgang Lunacek, Teil 1“. Ich werde im zweiten Teil dieses Textes auch offenlegen, aus welcher Anschauung und inhaltlichen Position ich meine Kritik formuliere.
Mein derzeit jüngstes Facebook-Profilbild hat einen eher grundlegenden Slogan eingeschrieben bekommen, der zugleich eine Referenz an den bosnischen Romancier Dzevad Karahasan und an den bosnischen Dichter Muhidin Saric ist: „Gleichgültigkeit tötet“. Die Begegnungen mit diesen Autoren und ihren Geschichten haben meine Blicke nachjustiert.
+) Ein Feuilleton (Kulturpolitik auf Kunst Ost)