Hochkultur und …was?

Das Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport teilt mit: „Mag.a Andrea Mayer wurde am 20. Mai 2020 als Kunst-und Kulturstaatssekretärin angelobt“. Mit wem hab ich es zu tun? Das wird sich zeigen. Was bewirkt das in meinem Metier? Das wird sich zeigen.

In der Politik gibt es keine unbeschriebenen Blätter

Zwischenspiel
Ich hab für Gezeter und Gezänk nichts übrig. Das verschleiert bloß die Situation und bringt uns weder essentiell noch existentiell weiter. Mehr noch, ich hab ein Unbehagen, wenn mir scheint, daß Kolleginnen und Kollegen mangels inhaltlicher Klarheit die Situation mit einer Art Stammtisch-Räsoniererei erfüllen.

Ich muß mich mit dem Verfassen von Petitionen derzeit nicht beschäftigen, das tun andere. Ich bin Autor. Also fasziniert mich Text. Daher gehe ich veröffentlichte Ansichten durch und schreibe dazu Notizen, Kommentare, Glossen.

Freilich ringe ich dahinter um die Stabilität meiner Existenz. Aber das ist ein banales Faktum, zu dem mir bloß noch einfällt: Wissen wir! Mit dieser Sorge sind wir Legion. Nicht bloß auf dem Kunstfeld.

Ich hatte im Musiker Sir Oliver Mally ein erstes Gegenüber gefunden, um laufend ein „Was nun?“ zu erörtern. Ich akzeptiere die Notwendigkeit und Existenz verschiedener Lager, die einander gelegentlich auch widersprechen. Ich stehe mit Mally im Lager von Toni Morrison.

Das maßgebliche Morrison-Zitat dazu: „This is precisely the time when artists go to work—not when everything is fine, but in times of dread. That’s our job!” Das stammt aus „No Place for Self-Pity, No Room for Fear“ (In times of dread, artists must never choose to remain silent.) … Hier erwähnt: Die Kunst ist systemrelevant?

Frau Mayer
Ich lese nun: „Andrea Mayer verfügt über langjährige Erfahrungen als Spitzenbeamtin, vor allem aber über eine große Kenntnis der österreichischen Kunst- und Kulturlandschaft in allen ihren Facetten – von der Hochkultur bis zur freischaffenden Szene.“ [Quelle]

Könnten wir die Begriffe aus der Gründerzeit langsam bewältigen?

Sprachregelungen! Mein Bourgeoisie-Verdacht wird weiter belebt, wird vertieft. Nach meiner Auffassung ist der Begriff Hochkultur schon längst passé und zur Beschreibung aktueller Verhältnisse nicht mehr geeignet. Aber ich weiß ja, was gemeint ist.

In jenem Genre wirken übrigens auch Legionen von Freischaffenden, weshalb ein wenig unklar bleibt, was denn nun Frau Mayer für „freischaffende Szene“ hält; im Kontrast zur „Hochkultur“.

Sind das Freelancers gegenüber Fixangestellten? Ist das die freie Initiativen-Szene? Ich bin sehr skeptisch, ob ich in unserer aktuellen Kulturpolitik eine treffende Kenntnis und Beschriftung des Kulturbetriebes als gegeben annehmen darf.

Jetzt muß ich abwarten, welche Inhalte mit welchen Sprachregelungen demnächst aus dem Ministerium kommuniziert werden. In meinen Kindertagen hatte das bipolare Konzept „Hochkultur/Volkskultur“ breiten Konsens. Was die junge Popkultur ausmachte, galt meinen Leuten vor allem als „Schmutz und Schund“.

Wie man innerhalb solcher Narrative etwa das Forum Stadtpark betrachten und benennen sollte, kam im Alltagsdiskurs noch kaum vor; außer in abschätzigen Zuschreibungen. Der dabei völlig nebulös eingesetzte Begriff „Moderne Kunst“ gab keinerlei klare Auskunft, weil etwa die Kunst der Moderne was ganz anderes ist.

Inzwischen hat der Begriff Hochkultur sein Aussagekraft verloren, kann das Wort Volkskultur völlig beliebig befüllt werden und was eine „freischaffende Szene“ sein soll, weiß ich nicht. Ich fürchte, wenn die derzeit ranghöchste Kulturpolitikerin Österreichs das eigentlich auch nicht weiß, wie es ihre Vorgängerin Ulrike Lunacek offenbar nicht wußte, haben wir unsere Hausübungen nicht gemacht. Ich halte das für ein sehr problematisches Versäumnis.

+) Ein Feuilleton (Kulturpolitik auf Kunst Ost)

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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