Ich hatte im vorigen Beitrag zu notieren: „Da schwärmt eine Salondame für einen jungen Herren, welcher in Österreich weltberühmt ist. Sie outriert dabei, als stünde sie auf einer Provinzbühne.“ Der Videoclip, in dem Christiane Hörbiger ihr Herz ausschüttet, ist nicht nur formal, sondern auch inhaltlich das zeitgemäße Gegenstück zum Leserbrief auf dem Boulevard. Individuelle Befindlichkeitsprosa ohne spezielle Aussagekraft. (Von der citoyenne d’honneur zur citoyenne en colère?)
Wäre zu erwähnen, daß der Clip im Rahmen der Kampagne „Wir für Kurz“ publiziert wurde. Die Frau hat sich also einem Propagandaunternehmen verfügbar gemacht, was einen Unterschied zu persönlicher Meinungsäußerung einer Staatsbürgerin konstituiert.
SPÖ-Exponentin Pamela Rendi-Wagner, die von Hörbiger in diesem Video der „vollkommenen Verblödung“ geziehen wurde, antwortete mit einem Geprächsangebot an die Schauspielerin. „Von Hörbiger kam dazu am Montag eine Absage. ‚Aufgrund eines Unfalls befinde ich mich seit Kurzem in ärztlicher Behandlung und nehme derzeit keine Termine wahr‘, ließ die Schauspielerin via SMS wissen und erteilte Rendi-Wagner eine Absage.“ [krone.at]
Kennen Sie folgendes Bonmot? „Lieber einen guten Freund verlieren, als eine gute Pointe verschenken.“ In solchem Sinn kam dieser Tage Martina Salomon, Chefredakteurin des „Kurier“, ins Gerede. Sie sagte via TV über Rendi-Wagner: „So wie sie ausschaut, wird sie sich eher nur von ein paar Salatblättchen ernähren.“ (Zitat aus dem Mitschnitt.) Das hätte Richard Lugner nicht besser hinbekommen.
Dabei gerät dieses Match unter exponierten Frauen selbst schon zum Klischee. Mir fehlt übrigens jeglicher Humor, wenn jemand Pointen setzt, die an der Körperlichkeit einer Person festgemacht sind. Ob jemand fett oder mager ist… Das bleibt ein protofaschistische Spiel, welches sich einer Ära verdankt, in der alle schäbigen Seiten der Mitmenschlichkeit, soweit sich das an Körpern festmachen läßt, effizient zusammengefaßt wurden. Dieses Erbe sind wir bis heute nicht los.
Was nun die öffentlichen Diskurse angeht, es ist meine persönliche Marotte, daß es mir mißfällt, wenn ich Kunstschaffende sehe, die sich für Wahlwerbung hergeben und Propaganda machen. Meine Einwände sind vorwiegend atmosphärischer Art. Das geistige Leben eines Landes leidet darunter, was in einer Blütezeit der politischen Message Control offenbar akzeptabel erscheint. (Metternich hätte bei den Fachkräften dieses Metiers vermutlich ein Seminar gebucht.)
Meine Ressentiments gegen solche Art von politischem Engagement der Kulturleute kommen daher, daß ich eine Vorstellung von Diskursräumen hab, in denen Kontroversen im Sinne der Gewaltenteilung möglich sind.
Das heißt, wie sich Legislative, Exekutive und Judikatur als getrennte Gewalten gegenseitig kontrollieren, wird auch von einer Vierten Gewalt gesprochen, von einer unabhängigen Presse, die wir nötig haben, um der Demokratie stabile Fundamente zu sichern.
In genau diesem Sinn kennen wir spätestens seit Emile Zola einen Typus des Intellektuellen, der sich eigenverantwortlich in öffentliche Debatten einbringt, ohne dazu von einer Instanz eingeladen und legitimiert worden zu sein. Das ist eine interessante Facette von Demokratie und der Meinungsfreiheit, die geübt und gepflegt werden will.
Wenn nun Kunstschaffende in das Lager der Parteipolitik wechseln, machen sie sich einer Deutungshoheit dienstbar, die nicht bloß politische, sondern auch kommerzielle Motive hat.
Sie verschenken Terrain jener Vierten Gewalt, die ständig bedroht ist, Angriffen und Lockrufen seitens gut organisierter Kräfte zu unterliegen. Das macht viel Platz für Gezänk und provinziellen Plauderton.