Diverse TV-Gesprächsrunden haben während der letzten Monate deutlich gemacht, daß etliche Parteien sich Scharfmacher leisten, die mit schlechten Manieren und harten Tiraden in die öffentlichen Diskurse hineingehen. Wäre das in Game Shows der Fall, könnte man sich bei Bedarf an den miserablen Manieren erfreuen und dem gröbsten Grobian die höchste Punktezahl verpassen. Da es um den Dienst am Staat geht, fühlt sich das weniger erfreulich an.
Wo die Moderation solchen Hooligans zu widerstehen versucht, wird das journalistische Personal immer häufiger angefeindet, angegriffen. Auch an der Berichterstattung in den Blättern stört sich immer mehr Funktionstragende, daß sie nicht wie Hofberichterstattung funktioniert.
Das heißt, sie würden eine freie Presse gerne als eigene PR-Abteilung mißbrauchen. Solch Fälle haben sich während der letzten Jahre gehäuft. Jüngster Ausritt auf diesem Terrain: „Die SPÖ-Ortsgruppe aus dem Bezirk Korneuburg hatte am Pfingstsonntag via Facebook zu einem Boykott der Tageszeitung ‚Kurier‘ aufgerufen. Als Grund wurde die unsympathische Darstellung der SPÖ-Bundesvorsitzenden Pamela Rendi-Wagner auf Bildern genannt.“ [Quelle]
Die mildeste Deutung: Hier fuhrwerkt politisches Personal, das mit seiner politischen Bildung eventuell noch in Kategorien von Metternich dahindümpelt und dem das Wort Gewaltenteilung kein Begriff ist. (Schlag nach unter „Vierte Gewalt“! Siehe dazu auch: „Journalismus an die Kette?“)
Man muß außerdem in der Politik schon sehr verzweifelt sein, um so eine Zumutung rauszuhauen. Dazu paßt, was seit Monaten grassiert: „Die anderen sind schuld!“ Mit solchen Erbärmlichkeiten hat uns jüngst der Ex-Vizekanzler Hace Strache behelligt, indem er seinen selbst gestalteten Tag der Schande zum „politisches Attentat“ aus dem „Ausland“ umdeutete. Dazu ließ er uns wissen, er werde seine „Unschuld beweisen“, auch wenn völlig schleierhaft bleibt, was es da zu beweisen geben soll.
Zitat Strache: „Wir werden die Hintermänner des kriminell erstellten Videos und Dirty Campaignings ausfindig machen und ich werde meine Unschuld beweisen! Dafür kämpfe ich!“ (21.05.2019 auf Facebook)
Ex-Kanzler Sebastian Kurz läßt sein Team vergleichbar agieren. Die aktuelle Kampagne, in der seine Entourage gerade durch das Land tobt, quillt davon über: „Die anderen sind schuld!“ Und er: makellos? Darüber wird uns die Geschichtsschreibung beizeiten noch genauer informieren.
So schrieb eben ein Nationalrat via Facebook: „wenn du, lieber Xxxxx deinen ‚Kampfanzug‘ anhast, dann rocken wir die Geschichte!“ Unverblümte Kapmfrhetorik. Sind wir in einem Fußballstadion gelandet? Ich verstehe durchaus, daß man sich in schwierigen Zeiten gegenseitig zu besonderen Anstrengungen motivieren möchte. Aber die Geschichte rocken?
Immerhin gibt es in Österreichs Geschichtsbüchern gegenwärtig schon ein paar denkwürdige Einträge. Journalist Florian Klenk fragt zum Beispiel nach wie vor: „Der Wahlkampf von Sebastian Kurz 2017 hat weit mehr als 13 Millionen Euro gekostet. Auf seiner Webseite sind allerdings nur 2,1 Millionen Euro an Spenden gelistet. Woher kommt der Rest?“ Die Antwort fehlt bis heute. Das rockt überhaupt nicht!
Wahlkampfkosten. Das bedeutet Aufwendungen zur Beeinflussung der Bevölkerung, um Mandate zu holen und die Refundierung von Werbeausgaben zu lukrieren, auf daß eine Körperschaft sich im Land besondere Handlungsmöglichkeiten sichern kann.
Die Obergrenze für Wahlkampf-Ausgaben liegt in Österreich pro Partei bei sieben Millionen Euro. Die FPÖ hatte übrigens 3,7 Millionen Euro zu viel ausgegeben. Unfairer Wettbewerb als Teil der bürgerlichen Tugenden? Und Kurz wußte von all dem nichts? Oder aber: er findet das angemessen? Sauber geht anders!
Apropos Klenk! Da lese ich aktuell: „Die Wirtschaftskammer schleuste über einen Altherren-Klub Millionen an einen Verein und versorgte damit ihre Frühpensionisten“ [Quelle]
Und so wird, wie erwähnt, die Geschichtsschreibung allerhand darzulegen haben, nachdem nun schon einmal der Journalismus Quellen freilegt, Fakten zusammenträgt. Es wird sich daher weisen, wer als Ehrenmann gelten darf und als Staatsmann auftreten kann.
Was derzeit an all dem die „Hysterie der vereinigten Twitteria Linken“ sei, also einer angeblich nicht zurechnungsfähigen linken Twitteria, das wird sich zeigen. Derweil mach ich gelegentlich eine weitere Kerbe ins Kerbholz von vormals honorigen Herren, die mir inzwischen zeigen, daß ihnen längst die Contenance ausgegangen ist und bei der beanspruchten Zuschreibung weder „honorig“ noch „Herr“ standzuhalten scheint.
Ich wiederhole eines meiner Lieblingszitate aus der Arbeit des Soziologen Gunnar Heinsohn: „Um Brot wird gebettelt, um Rang wird geschossen.“ Rang und gutes Geld sind Ressourcen, an denen sich enorme Begehrlichkeiten entzünden. Wie schmutzig darf der Wahlkampf nun werden? Haben wir dazu Referenzpunkte wie etwa Karl-Heinz Grassers Kategorie „Supersauber“? Kommenden Herbst werden wir es wissen.