Wenn ich es recht verstanden hab, wurde der Maler Odin Wiesinger für den Landeskulturbeirat Oberösterreichs bestellt. Person, Werk und das Verhalten des Mannes haben bisher viel Anlaß zur Kritik geboten, die – so weit ich sehe – auch in allen Schattieren vorgebracht wurde.
Der Standard titelte: „Innenminister Kickl vergleicht Odin Wiesinger mit Hermann Nitsch“. Das hatte ich für eine kabarettistische Attacke auf Kickl und Wiesinger gehalten, doch es war offenbar ernst gemeint und authentisch. (Quelle)
Die Oberösterreichischen Nachrichten notieren: „Als Reaktion auf die Bestellung des umstrittenen Malers Odin Wiesinger ist der Autor Thomas Baum aus dem Kulturbeirat des Landes Oberösterreich ausgetreten.“ (Quelle) Das ist auf eine so bestechende Art schlau, daß ich nicht klug genug bin, es zu verstehen. Ich würde einen Tisch, an dem sich ein vaterländische Kraft breit macht, keinesfalls verlassen, sondern meine Position halten.
Es scheint Odin zu genügen, daß er auf dem Niveau mäßiger Werbegraphik malt. Das darf man. Es scheint Odin zu reichen, daß er in den Dimensionen eines Stammeshäuptlings denkt und sein Stammesgebiet für die Welt hält. Das darf man. Es scheint Odin zufriedenzustellen, daß er Ethnos und Demos nicht unterscheiden kann, weshalb er sich Volk und Nation in Kategorien des 19. Jahrhunderts zurechtdenkt. Das darf man.
In meinem Europa, in einer Demokratie, darf man selbstverständlich so fern der Höhe der Zeit zuhause sein und sich eine adäquate Komplexitätsreduktion basteln, falls man sich der Gegenwart intellektuell nicht gewachsen fühlt.
Wenn sich Odin freilich via Massenmedien äußert und zum Beispiel Eva Blimlinger, die Rektorin der Akademie der bildenden Künste in Wien, herabwürdigt, indem er etwa laut „Wienerin“ verkündet, er habe „selten so ein hässliches und dummes Stück Fleisch gesehen“, darf er das und ähnliches auf keinen Fall. (Quelle)
Genau deshalb wünsche ich ihm ein langes Leben, welches er in Sphären von Kunst und Kultur zubringen möge, denn da umgeben ihn heute Legionen kluger und geistreicher Frauen, die er einfach nicht übersehen kann und denen er offenbar nichts zu sagen hat, außer sie zu beleidigen.
Ich wette, er kann sich keine schlimmere Hölle ausmalen, als den Rest seines Lebens gut ausgebildeten, beruflich erfahrenen, professionellen Frauen ausgesetzt zu sein, die Kenntnisse und Esprit haben, die einfach überall sind, egal, wohin er sich im Kunstgeschehen wendet. Das finde ich extrem amüsant.
Ich mißbillige aber entscheiden, daß er nun von allen Seiten beschimpft und herabgewürdigt wird. Mit ist nicht nachvollziehbar, worin sich solche Tiraden von jenen unterscheiden, mit denen allerhand vaterländische Rabauken gegen ihre Opponenten hetzen.
Ich halte es für naheliegend, bei Dissens die Argumente eines Andersdenkenden anzugreifen, aber nicht die Person. Welcher Unterschied sollte uns sonst gelingen? Mit einem Plakatmaler von Odins Kompetenzlage muß man inhaltlich fertig werden und nicht durch grobe Beleidigungen.
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