unsere demokratie beruht auf gewaltenteilung. es geht darum, daß sich verschiedene instanzen des staates gegenseitig kontrollieren. das meint drei gewalten: legislative (gesetzgebung), exekutive (ausführende gewalt) und schließlich die judikative (rechtsprechung).
es hat sich bewährt, dabei auch mit einer vierten gewalt zu rechnen, dem journalismus, von dem die erwähnte wechselseitige kontrolle begleitet wird, dessen personal überdies in dieses kräftespiel laufend eingreift.
bei all dem geht es immer auch um definitionshoheit: wer kann und wer darf sagen, was es ist? bei all diesen kräftespielen läuft nichts ohne medienanwendung. mehr noch, medienanwendung ist ein zentrales mittel, um gsellschaftliche realität zu erzeugen. realität handelt ja nicht einfach von dem was ist, sondern von den narrativen, die etabliert werden können.
im ringen um diese narrative kollidieren natürlich oft verschiedene interessensgruppen. bei solchen kollisionen wird auch gelegentlich gegen geltendes recht verstoßen. das ist für sich noch keine katastrophe, denn anschließend muß erst einmal verhandelt werden, wie die verschiedenen rechtsgüter zu bewerten sind.
in der rechtspraxis ist es üblich anzuerkennen, daß manchmal ein rechtsgut höher eingestuft wird als ein anderes, weshalb ein rechtsbruch hier toleriert werden kann, wenn dadurch ein gewichtigerer rechtsbruch dort verhindert werden konnte.
das „ibiza-video“, von dem die FPÖ erschüttert wurde und wodurch ihre über jahre verlautbarten slogans als heuchelei erkennbar sind, gibt der debatte solcher fragen einen fulminanten anlaß.
die vierte gewalt hat schon begonnen, einen öffentlichen diskurs über ihren part in solchen angelegenheiten zu erörtern. So fragte eben michael simoner in Der Standard: „Ibiza-Video: Dürfen die Medien das?“
seit es unbegrenzten internet-zugang zu freundlichen preisen gibt, hat sich völlig verändert, was wir uns unter der öffentlichkeit und unter öffentlichen diskursen vorstellen können. ein junges phänomen. das heißt, es gibt massenmediale zugänge, ohne daß diese gesellschaft eine angemessene adaptionsphase gehabt hätte, dazu wünschenswerte medienkompetenzen zu entwickeln, zu verbreiten, zu etablieren.
es geht also unter anderem um netzkultur. damit hat sich eine kulturinitiative zu befassen. KUNST OST ist in solchen zusammenhängen vor rund einem jahrzehnt entstanden, als eine soziokulturelle drehscheibe für kollektive wissens- und kulturarbeit abseits des landeszentrums, in der provinz.
dieses „ibizagate“ liefert einen sehr interessanten anlaß zu überlegen, welchen part kulturschaffende in einem gemeinwesen einnehmen wollen und in welchem maß tagesgeschehen darauf einfluß nehmen darf, was dagegen an grundsätzlicheren handlungsweisen zu bevorzugen wäre und in welchem sinn netzkultur dabei für zugänge zur öffentlichkeit gestaltet werden sollte.
Facebook-Notiz vom 21.5.2019
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+) Stefan Weiss: „Der Lockvogel“
(Weibliche Reize als Waffe gegen mächtige Männer)