Die Außenhaut der Innenstadt als Projektionsfläche. Der öffentliche Raum als Bühne. Der Wettstreit um verfügbare Flächen. Das hatte im Jahr 1905 einen besonderen Akzent erhalten. Damals begann die österreichiche Behörde, Nummernkontingente auszugeben, auf daß die Kraftfahrzeuge gekennzeichnet und registriert werden können.
Den Anlaß dazu boten zahlreiche Beschwerden aus der Bevölkerung, weil die Besitzer von Automobilen und Motorrädern ihnen mit ihrer Raserei zusetzen. Freilich gab es damals im Alltag kaum Kraftfahrzeuge, die schneller als 40 Km/h unterwegs waren. Doch die Autler brachten ein neues Tempo ins Spiel, das sich zuvor, Ende des 19. Jahrhunderts, schon durch das damals moderne Niederrad angekündigt hatte. Diese Fahrräder waren zwar Luxusgüter, lösten aber einen Boom aus.
All die technischen Innovationen verbreiteten sich im Kontrast zum Fußvolk, zu Pferdefuhrwerken und (in manchen Städten) Straßenbahnen. Kraftfahrzeuge wurden auch schon früh zu einem sozialen Statement. Mit der Volksmotorisierung nach dem Zweiten Weltkrieg haben sich diesbezügliche Konfliktlagen im Kampf um die Dominanz auf öffentlichen Flächen noch vertieft und verdichtet.
Individuelle Mobilität, gestützt auf den massenhaften Privatbesitz von Kraftfahrzeugen, dürfte ein zeitlich begrenztes Phänomen bleiben. Wie wir daraus in ein neue Situation gelangen werden und wie diese neue Situation technisch angelegt sein soll, ist derzeit Gegenstand vielfältiger Debatten und Kontroversen.
Auf kultureller Ebene bildet das ein Genre der Volkskultur in der technischen Welt, die hochkarätig gelebt wird, aber in den Kulturreferaten und Feuilletons kaum vorkommt. Dabei zeigt sich einerseits eine versierte Schrauber- und Sammlerszene. Da sind andrerseits einzelne Personen mit ganz unterschiedlichen Ambitionen sichtbar.
In der ersten Notiz dieser Leiste, „Avantgarden des Blühens“, habe ich von Wissenschafter Dirk Raith erzählt, der mich besuchte, da er an der Uni Graz mit dem Thema „Nachhaltige Wirtschaft – Ethik und Transformation“ befaßt ist. Dabei kam auch zur Sprache, daß er eine alte Puch 250 SG besitzt, die er nicht als glänzendes Sammelobjekt hält, sondern in schlichter Alltagstauglichkeit.
Dieses Nachkriegsmotorrad mit seinem Rahmen in spezieller Halbschalenbauweise, welche damals aus dem Flugzeugbau übernommen wurde, zählt zu den steirischen Meilensteinen der erwähnten Volksmotorisierung.
Andere, wie Pädagoge Franz Wolfmayr, sind selbst von keinem speziellen Kraftfahrzeugenthusiasmus bewegt, haben aber mein Faible für Ausgefallenes im Auge, wenn sie sich auf Reisen befinden. So konnte er mir zwar aus Helsinki keinen Fund übermitteln, hat dann aber in Amsterdam eine schöne Deesse erwischt, die einen fixen Platz in unserer Kulturgeschichte einnimmt. (Und zwar nicht bloß wegen des einschlägigen Essays von Roland Barthes.)
Dieser Citroen ist eine Design-Ikone. Das trifft auf weniger glamouröse Art auch auf den Puch G zu, der nun seit 40 Jahren gebaut wird, ohne sich in seiner formalen Basis geändert zu haben. Mathematiker Heimo Müller fährt eine ruppige Militär-Version des G-Wagens. (Siehe dazu auch: „Ein G im Sonntag„)
Die paßt zu seinem 1969er Steyr 680, einem Militär-LKW, der anschaulich macht, wie rundlich damals die bevorzugten Designs waren, bevor Anfang der 1970er Jahre die Keilform wie ein Tornado in die Automobilwelt fuhr. Etwa 40 Jahre davor hatte es die Stromlinie geschafft, das Feld aufzurollen und ein kultureller Code zu werden.
Heute sind die meisten karren wirder rundgelutscht. Auf dieses Genre läßt sich natürlich vieles von dem anwenden, was ich in der Notiz „Dresscode“ erwähnt habe. Wir kommunizieren mit den Fahrzeugen, die wir uns an- oder überziehen…
— [Dorf 4.0: Stadt-Land] —