Ich hab im Austria-Forum jüngst eine Notiz zu einem kleinen Rundgang im Grazer Museum für Geschichte deponiert. Musiker Jimy Cogan hat mich zur Ausstellung „POP 1900–2000. Populäre Musik in der Steiermark“ begleitet. Cogan ist Jahrgang 1946 und gehört zu den frühen Akteuren dieses Genres in der Nachkriegszeit, hat also eine Innenansicht dieser Dinge und profunde Sachkenntnis. Siehe: „Bis zum Anschlag“ (Popkultur als Rahmenbedingung und Arbeitsinhalt)
Nun traf ich Graphic Novelist Chris Scheuer erneut, mit dem ich schon einige Projekte umgesetzt hab. Er hat als fixe Größe der Comiczeichner-Szene seine fein nuancierten Ansichten von Popkultur, untermauert durch eine Biographie voller Reisen und ausgiebiger Indien-Aufenthalte, was sich mit etwas Augenzwinkern unter dem Stichwort Althippie zusammenfassen ließe.
Scheuer ist Jahrgang 1952, hatte nicht nur schillernd Eltern, sondern auch eine Großmutter (Grete), die Jazz liebte, was Jimy Hendrix einschloß, den sie ganz selbstverständlich für einen Teil dieses Genres hielt. An diesem Thema haben wir nun schon eine Weile zu arbeiten, denn da sind die bemerkenswerten Aufzeichnungen von Chevelle, dazu passende Post von Ernstl Binder, den damals alle Everest nannten. Er hat sich dann vor allem als Regisseur profiliert und ist in die steirische Kulturgeschichte als Ernst M. Binder (†) eingeschrieben.
Ich hatte im 2003er Jahr meinen größten Spaß mit Ernstl, als in Graz eine kulturpolitische Kontroverse mit einem großen Player (Boss: Wolfgang Lorenz) auszutragen war. Ernstl steuerte in seinem Rollenspiel eine Bin Laden-Groteske bei und kam als Ernst bin Der (catholic islamic orthodox church of the free limits in cooperation with the jewish voodoo principle of permanent fatal errors) mit ins Spiel.
Aber zurück zu Scheuer, mit dem ich beim Kaffee saß, als Hansi Grimm dazu kam, der Signore, in dessen Bar einst „Die Verschwörung der Poeten“ begann. Grimm hat in der Oststeiermark Kultstatus. Was in seiner „Matratzen-Bar“ begann, wurde später das Gleisdorfer „Antik“, einem Fluchtpunkt für Alltagsmüde. Grimm ist quasi ein Wegbegleiter und erfahrener Akteur der Popkultur. Jahrgang 1940 und daher mit dem kulturellen Umbruch jener Zeit in jedem Abschnitt vertraut.
Das bedeutet auch, falls man uns als ein temporäres Quartett betrachten möchte: wir decken mit unseren kulturellen Erfahrungen und Aktivitäten die ganze Ära ab; bis zu jenem Abschnitt, als Punk durchgeschlagen hat. An den Geburtsjahren wird das deutlich: Grimm 1940, Cogan 1946, Scheuer 1952, Krusche 1956.
Ich hab dann erst im Jahr 2002 einen klaren Eindruck bekommen, was House sei. Das geschah im Rahmen der „Salongespräche im L&Arc“ im entlegenen Schweizer Ort Romainmôtier. Eine Serie im Rahmen von „Littérature et atelier de réflexion contemporaine“. Diese solide Einführung im kleinen Rahmen kam von einem Kenner des Genres. Thomas Meinecke persönlich ordinierte in Romainmôtier.
Damit will ich bloß verdeutlichen, wir sind nun zwar erfahrene Exponenten der Popkultur, aber über die Grenzen unserer Generationen nicht rasend weit hinausgesprungen.
Das ist genau so nach meinem Geschmack, weil ich die Überzeugung habe, daß die Youngsters ihre Domänen selbst vertrete und erklären sollen, dazu braucht es uns ältere Herren nicht.
Mir war das zuletzt vor etlichen Jahren klar, als mein Sohn Gabriel mich zur Seite brauchte, um seine Fahrstunden für den L17-Führerschein zu absolvieren. Dabei wollte er seine eigene Musik hören und nicht meine. Ich mach es kurz: was ich mit Heavy Metal assoziiere und was er unter Metal zusammenfaßt, ist für einen soliden Kulturschock gut.
Wir werden uns das nun noch etwas genauer anschauen. Innerhalb unserer Lebensspannen sind einige bemerkenswerte Entwicklungen unübersehbar. Die Popkultur hat jene betoniert scheinende Zweiwertigkeit „Volkskultur/Popkultur“ aufgebrochen. Der Kalte Krieg hatte geendet und scheint derzeit wider zu beginnen. Es gab zwei fundamentale industrielle Revolutionen, die beide unser aller Leben durchdringen und völlig verändern.
Hinter meinem Rücken hallen noch Hilmar Hoffmanns Forderung nach „Kultur für alle“ und Paulo Freires Ansichten über die „Pädagogik der Unterdrückten“. Es spricht also einiges für eine Standortüberprüfung.