Es ist mir ein völliges Rätsel, wie ein Zeugler komplexe Muster schlagen kann, die dem Rest der Formation völlig klar sind, woraus sich dann so ein Fluß der Dinge ergibt, in dem Gitarre und Keyboard auf derart schlüssige Weise ineinandergreifen, wie sich das bei The Prophets of Calamari zeigt. Ohne Gesang geht das dann freilich nicht über die Bühne.
Bühne? Das Trio hat eine Salonsituation bespielt. Dieser Salon ist tagsüber ein Geschäft im Zentrum Gleisdorfs. Wosnei x steht im Kontrast zu alteingesessenen Konzepten. Das Trio steht im Kontrast zu einander: Peter Taucher (Guitar) als ein Angelpunkt, mit den sich für diese Session Jörg Haberl (Drums) und Gunther Schuller (Organ) verzahnt haben.
Das Prophetengeschäft in der Calamari-Abteilung als eine Exegese des Meeres und der Liebe Wellen, also ein Plauderstündchen mit JJ Cale, Mistah Slowhand Eric Clapton, Carlos Santana und anderen versierten Predigern der Popkultur.
Solche Reminiszenzen hören wir normal in lauen Sommernächten, wenn ein Freundeskreis alternder Mittelschullehrer sich und anderen zu beweisen versuchen, daß die bewährten Kräfte noch nicht alles aus ihren jungen Jahren verraten haben. Das ist eine der Optionen. Die ambitionierte Hinrichtung von Evergreens.
Die andere wäre zum Beispiel das, was sich kürzlich in jener Gleisdorfer Passage ereignet hat. Wenn also virtuose Musiker aus dem großen Songbook mehrerer Generationen ein paar Seiten aufschlagen, die dann in erheblicher Körperlichkeit einsehbar werden.
Was das bedeutet? Ich kann es mir nur so erklären, daß nämlich Virtuosität nicht bloß eine körperliche Leistung ist, welche sich aus Musikalität ableitet, sondern daß sich bei solchen Ereignissen eine Kommunikation entfaltet, die jemand zugleich mit sich selbst und mit den Menschen vor Ort führt. Als etwas, das über unser Denken in Worten und Bildern wesentlich hinausgeht.
Man muß das gar nicht erst rational erkunden. Es gibt dazu auch ganz andere Wege. Wenn etwa Schauspielerin Carola Gartlgruber plötzlich ein Gespräch unterbricht und sagt: „Ich muß jetzt tanzen.“ Die eigentlich primäre Art, auf diesem Terrain zu plaudern.
Was wollte ich sagen? Ja, im Gegensatz zum Abspulen diverser Evergreens werden uns relevante Musiker in etwas verstricken, das auf sehr verschiedene Arten in einem nachklingt. Derlei kommt aus jenen Kräftespielen, die nicht bloß Interpretation sind, sondern auch Musik entstehen lassen. Das Schaffende macht den Unterschied zum Abspulen. Es bezieht sich aus schöpferischen Potentialen.
Das hat nun einiges mit dem Wosnei x-Konzept zu tun, über welches Kerstin Feirer, Petra Gangl und Sonja Herbitschek diese bestimmte Stelle in der Innenstadt markiert haben. Naja, man muß das alles gar nicht wissen, wenn ein Konzert so abläuft, wie das eben in der Passage geschehen ist. Da löst sich dann im Moment etwas ein, das seine Möglichkeiten ganz ohne jede Erläuterung in den Raum stellt. Aber es hat eben eine Nachwirkung.
Warum ich es so ausführlich kommentiert hab? Dieses Trio brauchte man bloß gehört zu haben, die Nachwirkungen des Erlebnisses kämen ganz ohne Beschreibung aus.
Ich möchte allerdings damit deutlich machen, daß die Kunst keine Magd des Marketings ist und daß dieser Umstand auch seitens der Geschäftswelt respektiert werden kann. Das heißt dann: auf Qualität setzen, statt den Geschäftsraum einfach zu beschallen. Anders ausgedrückt, man muß als Musiker schon sehr gut sein, damit es so mühelos erscheint.
— [Dorf 4.0: Stadt-Land] —