Welche Kanäle soll ich aufmachen, um innerhalb der bestehenden Info-Sphäre ausreichende Sichtbarkeit für unsere Projekte herzustellen? Was ist im Kommen und was flaut ab? Wo setze ich mir selbst Grenzen, da diese uns umgebende Online-Welt laufend expandiert? (Besser gesagt: sich verdichtet.)
Meine ersten Zugänge haben in ihrem Auftakt ein konkretes Datum. Es ist der 5. Oktober 1985. Damals stand im „Kino im Augarten (KIZ) Graz“ ein MUPID-System, das wir benutzen durften. Drei Autoren, denen die Online-Möglichkeiten noch kaum geläufig waren. (Peter Köck, Wolfgang Siegmund und ich.) Der Anlaß dazu war ein „Internationales Anti-Folter-Symposion“ von Amnesty International unter dem Titel „Gewalt und Folter: Bedrohung des einzelnen durch die Gesellschaft?“ (Historisch Entwicklungen – Auswirkungen – Strategien).
Ich blieb an der Sache dran, trieb Geld auf, um mir noch im selben Jahr einen „Mikrocomputer“ zu kaufen. Ein Jahrzehnt danach, im Jahr 1995, gelang dann mein erstes „Login“ über eine Anlage der IG Autoren in Wien. Damit war das oststeirische Dorf Nitscha mit einer jungen Online-Welt verknüpft, die erkundet werden mußte.
Damals war ich Avantgarde, heute bin ich in der Online-Geriatrie gelandet. Es gibt vorerst kein Tablet in meinem Haushalt. Über mein Smartphone gehe ich nicht online. Das mach ich nur zuhause, am Desktop-Gerät, auf dem Windows XP läuft. (Ich empfände es als eine Zumutung, wollte ich über Applikationen wie WhatsApp rund um die Uhr mit dieser Online-Welt verbunden sein.)
Facebook steht im Ruf, ein Netzwerk alter Leute zu sein. Seit Jahren höre ich, daß die Jugend dort in Scharen auszieht, um andere Kanäle zu bevölkern. Twitter? Instagram? Jüngst bin ich erneut in eine alte Leiste eingestiegen, um zu überprüfen, was regional läuft. Die Company nimmt sich 100 Prozent der Nutzungsrechte für jeden Beitrag, der dort raufgeht. Dafür sind deren Zugriffszahlen absolut in den Keller gefahren. Am WOCHE-Portal ist überdies bemerkenswert, daß dort schon vor Jahren die Kategorie „Kultur“ eliminiert wurde, woran sich offenkundig niemand stieß. (Was mache ich also dort?)
Ich hab kürzlich meinen 500. Beitrag in diesen Kanal gewuchtet. Selbst meine spröden und eher langen Texte hatten dort einst umgehend wenigstens hundert Aufrufe erlebt, oft mehr. Manche Texte gingen über die Tausender-Marke hinaus. Das ist Historie. Jetzt dümpeln die Zugriffszahlen zwischen zehn und 30 herum. Bloß ein einzelner, sehr populärer Ausreißer ging kürzlich über die 300er-Marke.
Zum Vergleich, mein „Quotenhit“ in diesem Kanal stammt aus dem Jahr 2012 und kam auf 6.607 Aufrufe, gefolgt von einer 2012er Story mit 4.575 und einer 2015er Geschichte mit 4.208 Aufrufen. Jüngst brachte es Beitrag Nummer 500, „Träumen Maschinen?“; in vier Tagen auf ganze 15 Aufrufe.
Nun müßte meine Entscheidung wohl lauten: Kanal aufräumen! Knappere Texte, attraktiver aufgemacht, über andere Kanäle verbreitet. Dazu ein souveräner Umgang mit Hashtags, die Beachtung von Keywords, die passenden Kommentare zu den Beiträgen anderer Leute etc. etc. etc.
Aber kommt denn das nun in meinem persönlichen „Lastenheft“ überhaupt vor? Permanente Publikumsoptimierung? Ständiges Arbeiten an der Reichweite? Harte Arbeit an der Quote? Kann es sein, daß da noch ein paar andere Aspekte herauszufinden wären, die eventuell einen Zug zur Selbstbeschränkung nahelegen würden? Was wären derzeit höchste Prioritäten in den Fragen nach zeitgemäßer Netzkultur?
Nun habe ich begonnen, solche Fragen mit dem Informatiker Hermann Maurer zu erörtern. Der Emeritus an der TU Graz hat damals mit seinem Team das eingangs erwähnte System MUPID entwickelt und in den letzten Jahrzehnten wesentliche Beiträge zur Beschaffenheit unserer Info-Sphäre geleistet. Er gründete das Austria-Forum, wo die hier angedeuteten Fragen höchst akut sind. Wir haben vor einer Weile begonnen, das Thema „Mensch und Maschine“ aufzublättern. Da ist nun ein neues Kapitel fällig
— [Der erwähnte Kanal] [Netzkultur] —