„Was ist los mit dir ? .musst du dein Ego auf Kosten andere aufbauen ? Geh doch zum psychoonkel.“
Diese Artigkeit bekam ich kürzlich auf Facebook in meinet Kunst Ost-Leiste zugestellt. Man möchte fast annehmen, ein launiger Beitrag zum Gedenken 1938-2018. Im Stalinismus hat man Kunstschaffende ganz gerne der Psychiatrie übergeben. Im Hitlerismus hat man sich solche Umwege erspart, die Verfahren abgekürzt, falls jemand nicht das Maul hielt und rannte.
Aber so war es nicht gemeint. Es erwies sich bloß als ein weiteres Beispiel dafür, wie Menschen einen gelegentlich und kurzerhand zum Fall für professionelle Hilfe erklären, wenn ihnen eine kritische Debatte als Zumutung erscheint. Was mir Malerin Emma C. auszurichten hatte, ist also eher ein Beitrag zur Gegenwart, in der das Nachfragen suspekt erscheint, in der kritische Argumente gerne als Fake News denunziert werden und Andersdenkende nicht als Anregung, sondern als Bürde empfunden werden. Darin ist der steirische Kulturbetrieb seit Jahren keine Ausnahme.
Das muß nun näher erklärt werden, denn der eingangs zitierte Satz ist zwar ein Originalzitat, aber aus dem Zusammenhang genommen. Also der Reihe nach! Facebook ist ein Massenmedium. Die Kunst Ost-Leiste auf Facebook ist eine Art Nachrichtenkanal mit redaktioneller Betreuung, welche meist sieben Tage die Woche Arbeit macht. Diese Leiste hat den Zweck, ein Wechselspiel mit einem möglichst wachsenden Publikum zu entfalten.
Das ist Teil des Projektes „The Long Distance Howl“ als Praxis einer Wissens- und Kulturarbeit in der Provinz. Hauptgegenstand dieses Bereichs ist die Gegenwartskunst mit ihrer Vorgeschichte und ihren aktuellen Bedingungen, mit ihren kulturellen und soziokulturellen Zusammenhängen.
Es kommt nicht alle Tage, aber doch gelegentlich vor, daß auf dieser Leiste auch Beiträge aus dem Publikum erscheinen, Kommentare kommen dagegen öfter. So weit die etwas unscharfe Mischung zwischen dem alten Broadcasting und den Neuen Medien. (Es geht hier also auch um Netzkultur.)
In diesem Zusammenhang schwingt naturgemäß auch stets die Frage mit: Was ist Kunst? Besser noch: Wann ist Kunst? Dieses Thema habe ich zuletzt ausführlicher in der „Laborabteilung“ behandelt, beim „Kuratorium für triviale Mythen“; siehe dazu: „Was ist Kunst?“ (Einige Hinweise für unbeschwerte Zugänge)
Wenn nun jemand von außen vorbeikommt und auf Facebook etwas bei Kunst Ost postet, ist meine Traumvorstellung, daß es etwas Interessantes, wahlweise etwas Geistreiches sei, möglichst auch etwas Informatives, das meinem Publikum Anregung ist.
Doch am häufigsten kommt es vor, daß jemand aus der Abteilung bildender Kunst vorbeischneit, ein paar seiner oder ihrer Bilder raufhaut und das war’s. Aus meiner Sicht zeigt sich das so. Im Flanieren stellt jemand fest „Oh, ein Publikum!“ und schmeißt etwas über den Zaun, ganz nach dem Motto „Fire and forget!“ (Wird schon irgendwas nützen. Hab ich meine Duftmarke hinterlassen.)
So auch Emma C. Sie postete völlig kommentarlos die schlampige Photographie eines bemalten Holzbrettchens. Darauf meine Frage: „ein appell? ein hinweis? eine information?“ Die Antwort: „Öl auf Holz , gebe meinen Bildern eigentlich keine Titel“. Ich: „okay, aber warum ist es hier deponiert?“ Emma: „Versteh .net ganz was du meinst, schmeiß es halt raus .“
Die weitere Klärung wurde spröde: „ich will hier nix rausschmeißen. will bloß wissen, warum jemand eine arbeit hier kommentarlos deponiert. worum es da geht. sagt das ‚hallo, hier bin ich?’ oder was sagt das?“
Emma: „Ein sichtbar macheen von bildern , die sonst nicht gesehen werden.kunst die nicht den Mainstream entspricht, hat mehr oder weniger ein ausstellungsverbot oder muss für Ausstellungen sehr viel zahlen“
Damit hatte die Sache eine kulturpolitische Dimension erlangt und so was interessiert mich. Ausstellungsverbote für „Kunst abseits des Mainstream“? Das wäre mir neu. Für Ausstellungen „sehr viel zahlen“ ist selbstredend, denn eine gut gemachte Ausstellung (plus angemessene PR) ist viel Arbeit, verlangt erhebliche Ressourcen in Cash und in anderen Währungen. Daher muß das Werk jemanden derart ansprechen, daß er oder sie diese Kosten auf sich nimmt.
Daher schrieb ich: „ist nicht naheliegend, daß bei den naturgemäß begrenzten ausstellungsräumen und dem großen angebot an kunstwerken leute nach inhaltlichen und/oder qualitativen kriterien auswählen, was sie zeigen wollen? aus welchem grund könnte/sollte ich zeit und geld aufwenden, um deine arbeiten zu zeigen? was meinst du? sind es die inhalte? das außergewöhnliche handwerkliche niveau? die besonderen blickwinkel? was wärs?“
So reden wir unter Kolleginnen und Kollegen gewöhnlich über die Arbeit, über unser Metier. Emmas Antwort: „Ich würde sagen ,lösch es einfach und die Sache ist geregelt.“ Das entspricht freilich nicht meinen Vorstellungen von einer kulturpolitischen Debatte: etwas löschen und das Thema so unter den Teppich schaffen. Ich hab dann auch noch gefragt: „und was wäre denn das? ‚kunst die nicht den Mainstream entspricht’…“.
Zwei Schritte weiter kam schließlich dieses „Was ist los mit dir ? .musst du dein Ego auf Kosten andere aufbauen ? Geh doch zum psychoonkel.“
Warum ich das Thema hier ausbreite? Im steirischen Kulturbetrieb ist das inzwischen schon ein Klassiker. Kräfte wie Emma C. schieben kulturpolitische Statements raus, tragen ihre Werke vor sich her, reklamieren sie unter die Flagge der Kunst und demonstrieren, was uns auch die Bundespolitik derzeit zumutet. Behauptungen. Ein Daherreden von Dingen, die keiner Debatte ausgesetzt werden dürfen. (Kriterien? Nebbich! Auffassungsunterschiede? Halt die Schnauze!)
Was nun die Gemälde von Emma C. angeht, verzichte ich auf einen ausführlichen Kommentar. Bloß ein paar grundsätzliche Überlegungen. Es braucht Jahre und viel Ausdauer, um sich ein Handwerk anzueignen und so seinen Talenten die nötigen Werkzeuge zu liefern. Bis die Hand zeichnend oder malend etwas taugt, sind tauende Stunden nötig.
Dann will noch allerhand an inhaltlicher Kompetenz erworben werden. Komposition, der Umgang mit Licht und Schatten, Proportionen, Komposition, Farbpsychologie, die Beherrschung verschiedener visueller Codes etc. Wer zur Abstraktion tendiert, wird eventuell davor jenes Konkrete beherrschen wollen, von dem er dann abstrahiert. Das verlangt alles nach Zeit, Kraft und Hingabe. Eine Anstrengung, die Emma C. offenbar lieber gemieden hat.
Das kann man freilich tun. Manche Menschen bringen so eine enorme Ausdruckskraft mit und haben von der Natur eine bemerkenswerte Handschrift erhalten, daß es all der genannten Mühen nicht bedarf. Außerdem kann man ohnehin jede der uns bekannten Regeln der Kunst brechen. Hauptsache das Ergebnis bewegt jemanden. Und sei es bloß, daß es einenb selbst bewegt, weil zu zeichnen oder zu malen einem große Freude bereitet.
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