Überlagerungserscheinungen. Das ist der etwas anschaulichere Begriff für Interferenzen, die sich zeigen können, wenn Wellen aufeinandertreffen. Diese Begriff aus der Physik erscheint mir als passende Metapher für das, was wir seit geraumer Zeit erleben. Offenbar sind wir so weitreichenden Bewegungen, Umbrüchen und Ereignisstürmen ausgesetzt, daß die aktuelle Mediensituation aus Worten und Bildern genau das generiert: Überlagerungserscheinungen.
Vielleicht sollten zum Beispiel Fake News, die sich als brisantes Phänomen dieser Zeit erweisen, unter anderem als genau das begriffen werden: Überlagerungserscheinungen. Möglicherweise ist es auch ein tauglicher Begriff, um emotionale Zustände zu benennen, in denen sich widerstreitende Momente mischen: Überlagerungserscheinungen.
Deshalb hab ich 2017 das Wort Interferenzen als Arbeitstitel für das kommenden Kunstsymposion festgelegt; weiter ausgeführt: „Interferenzen: Zugänge und Überlagerungen“. Damit sei auch ausgedrückt, daß derzeit möglicherweise die unscharfen Bilder uns die genaueren Ansichten bieten.
Ich hab im Bereich, den ich selbst künstlerisch betreue, eine nächste Lyrikreihe aufgemacht, die unter dem Titel „Überlagerungen“ steht: [link] Dazu gibt es auch eine Diskursleiste unter dem Titel „Spurwechsel“ [link]
Diese Erörterungen korrespondieren teilweise mit Themen im Symposionsbereich „Der Sarajevo-Kontext“, denn im Jahr 2018 ist auf 1918 zurückzublicken, da Österreichs Eliten die Quittung für eine endlose Serie von falschen Entscheidungen und inkompetenten Handlungen empfangen haben, wofür das Volk einstehen mußte. Diese Themenleiste ist hier aufgemacht: [link]
Detail am Rande: In der Sprachwissenschaft wird der Begriff Interferenz für ein interessantes Phänomen verwendet, das man sowohl im Wechselspiel zwischen Dialekten und Hochsprachen findet, wie auch zwischen Muttersprache und Fremdsprachen. Das meint die Übertragung vertrauter Sprachstrukturen auf andere Sprachen, deren Strukturen nicht deckungsgleich sind.
Bei uns kennt man das zum Beispiel an Auffälligkeiten, die in meiner Kindheit als „Gastarbeitersprache“ alltäglich vorkamen. Da zum Beispiel das Serbokroatische keine Artikel kennt, meines Wissens sieben Fälle hat, wo wir im Deutschen mir vier auskommen, einen anderen Satzbau zeigt etc., klingt uns ein Deutsch, das jemand weitgehend nach südslawischen Regeln spricht, sehr merkwürdig. Interferenz!
Andrerseits wird man feststellen können, daß Literatur von Menschen, die zweisprachig aufgewachsen sind und daher zwischen verschiedenen Sprachkonzepten ansatzlos wechseln können, eigentümliche Qualitäten hat. (Mir schien das vor Jahrzehnten erstmals an den Gedichten von Peter Waterhouse auffällig.) Ich denke, es lassen sich auch in der jüdischen Kultur viele Beispiele für dieser spezielle Qualität finden.
Während also bei allen Arten von Funkübertragungen die Interferenz zur Störung wird, wie wir das als Kinder zum Beispiel mit Radios und Fernsehapparaten erlebt haben, kann man das im kulturellen Zusammenhang als eine Irritation deuten, die sich zu Bereicherung machen läßt.
So möchte ich den Arbeitsauftakt zum 2018er Kunstsymposion verstanden sehen, zumal das etwas ist, was wir auch von Kunstwerken immer wieder erwarten dürfen; daß zu Irritationen taugen, die sich zu Bereicherung machen lassen.