Jüngst in der Kunsthalle Graz das Singen von kleinen Elektromotoren. Nichts geht schnell. Die Roboterarme von Niki Passath bewegen sich in ihren Gelenken durch rotierende Gewindestangen. Über Spritzpumpen wird Farbe eingebracht, indem Passath die Kolben drückt. Eine hybride Anordnung.
Im Zen-Buddhismus gibt es verschiedene Wege, um seine Wahrnehmung und so auch sich selbst zu verfeinern. Einer davon ist Shodo, der Weg des Schreibens, eine Form der Kalligraphie. Dabei muß sich, je nach Dimension der Zeichen, die Hand bewähren oder auch der ganze Körper, was bedeutet, im Shodo wird mitunter das Blatt betreten, die Leinwand, um eine Arbeit zu realisieren.
Solche Kalligraphie ist dem verwandt, was wir im Westen aus der Malerei kennen, weil durch den Pinsel bestimmt, also nicht von der feinen Linienführung des Kupferstechers, auch nicht durch das, was Stahlfedern ermöglichen. Unter den Elementen des Shodo erscheint Enso, der Kreis, sehr exponiert. Die Übung, dieses Zeichen zu malen und dabei einen individuellen Ausdruck zu finden, hat eine interessante europäische Gegenposition.
Man sagt von Leonardo da Vinci, er sei fähig gewesen, mit freier Hand einen perfekten Kreis zu zeichnen. Nun können wir heute problemlos Maschinen installieren, die perfekte Kreise zeichnen. Aber welche Arbeit mag nötig sein, um eine Maschine auf den Shodo zu schicken, den Weg des Schreibens, um uns etwa einen Enso zu zeigen, der eben nicht die völlig banale Qualität eines von Maschinen gezeichneten perfekten Kreises hat?
Damit möchte ich sagen, daß die aktuellen Maschinen von Niki Passath ein paar bemerkenswerte Aspekte kombinieren. Ihre Schrittmotoren sind auf Präzision angelegt. Die filigranen Roboterarme, gelenkige Gittermasten aus schlanken Holzprofilen, sorgen dagegen für Spielraum. Undenkbar, mit diesen Komponenten eine feine und präzise Linie zu ziehen.
Das unterlegt Passath außerdem mit einem beweglichen Objektträger, auf dem gemalt wird. Damit bekommt das Maschinenhafte etwas Körperliches, denn wir Menschen müssen uns hart schulen, ausdauernd üben, wenn wir unseren Leibern eine motorische Präzision beibringen wollen, die selbst ein billiger Zirkel schafft.
Das ist bloß eine weiter Anordnung auf Passaths Weg, um Maschinen-Systeme zu bauen, die er schließlich belauert, belauscht, um Momente zu erleben, in denen diese Maschinen Dinge tun, welche nicht vorgesehen waren, die nicht vorgegeben sind.
Vordergründig könnte man meinen, hier würde jemand daran arbeiten, die Künstlerinnen und Künstler überflüssig zu machen: Artist is Obsolete. Ich neige zur Ansicht, Passath befragt und überprüft auf sehr eigenwillige Art die Koexistenz von Mensch und Maschine.
Selbstverständlich ist die Option der Kunst dabei eine klug gewählte Schnittstelle, denn auf diesem Terrain können selbst extrem unterschiedliche Spezies Schnittpunkte finden. Während nun allerhand Mitmenschen rund um uns auffallend dazu neigen, sich in der anbrechenden Vierten Industriellen Revolution von den neuen Systemen abzuwenden, als wäre verschwunden, was wir nicht sehen, ist solche Kunstpraxis einer wachsamen Zuwendung gewidmet.
Nur wenn wir in möglichst umfassender Tragweite begreifen, was Maschinen heute können und tun, werden wir die fällige Neuverhandlung der Umstände unserer Koexistenz mit Maschinen annehmbar bewältigen.
+) Ein Text zu: Niki Passath | Steirischer Herbst 2017, Workshop – Von Menschen und Maschinen, Finissage in der Kunsthalle Graz [link]
+) Niki Passath beim 2017er Kunstsymposion [link]