Wo stehen wir im Projekt und im Zustand der Region? Am 5. April 2017 fiel mein Entschluß, übliche Medienkanäle gezielt darauf hin durchzusehen, was mir daraus derzeit über Brauchtum und Volkskultur entgegenkommt. Übliche Medienkanäle meint vor allem einmal Zeitschriften, Journale und Postwurfsendungen, also Prospekte und Flugblätter.
Auslöser für diesen Entschluß war das ganzseitige Inserat „Servus, ich bin der Luis!“ auf der Rückseite des „kuvert“ der Post, Steiermark-Ausgabe 28. Das ist ein Mantel für Werbematerial. Dieser 81 cm große Luis, „Posen frei wählbar“, wird mit einem „Echtheitszertifikat“ angeboten.
Was zertifiziert dieses Dokument? Na, die „Echtheit“ der Künstlerpuppe mit Namen „Luis der Trachtenbub“. Und das für wohlfeile € 299,90, zuzüglich Versandkosten. Man kann daran sehr gut ersehen, daß Kategorien wie „Echtheit“ völlig frei disponierbar sind.
Während ich nun meine Regale durchsah, denn ich hebe interessante Blätter meist mehrere Wochen auf, kam Ostern über den Horizont daher. Damit war klar, daß sich nun die öffentlichen Debatten und Mitteilungen in Sachen Brauchtum schlagartig verdichten würden.
Am Gründonnerstag (13.4.2017) faßte Ulla Patz in der Kleinen Zeitung zusammen, was derzeit Angelpunkte des Brauchtums sind, wie sie ganz wesentlich entlang der kirchlichen Feste Bestand haben: Allerheiligen, Weihnachten, Fasching und Ostern.
Für Maria Himmelfahrt (15. August) gibt es im Internet übrigens jetzt schon Urlaubsinformationen. Davor werden wir Pfingsten und Fronleichnam absolvieren. Andere markante Termine sind inzwischen weitgehend vergessen. So war beispielsweise in der alten agrarischen Welt Maria Lichtmeß (2. Februar) der Lostag, an dem die Bauern mit den Dienstboten neue Arbeitsübereinkünfte trafen, beziehungsweise sie fortschickten.
Das katholische Kirchenjahr finden Sie von der Erzdiözese Wien detailliert dargestellt. Da heißt es unter anderem: „Das Kirchenjahr wird strukturiert durch die Feier des Sonntags: Gefeiert wird die Auferstehung Jesu Christi, der endgültige Sieg über den Tod; ein allwöchentliches Ostern!“ [link] Das ist ein ziemliche beeindruckendes spirituelles und soziales Konzept.
Ich hab gerade heute, am Karsamstag, beim Einkaufen erfahren, welche Demarkationslinien sich nach wie vor rund um solches Brauchtum zeigen können. Da erklärte mir ein Mann, den ich eigentlich hauptsächlich als milde Seele kenne, welche Heftigkeit ihm zu jenen Heiden einfalle, die zwar der Kirche fernblieben, aber am Karfreitag gerne von ihrer Arbeit freigestellt wären. (Die gedachten Sanktionen schlossen sogar „Schüsse ins Knie“ ein: Andacht nein, aber Feiertag ja? So nicht!)
Es ist noch nicht lange her, da unsere Leute mit ungeregelten Arbeitszeiten zurechtkommen mußten, keinen Urlaub kannten, kaum Freizeit. Damals waren kirchliche Feiertage eine wichtige Möglichkeit zur Erholung von den Mühen der Arbeitswelt.
Wer wüßte heute noch zu erzählen, wie zu den ersten Errungenschaften der Arbeiterbewegungen in Europa zählte, daß Kinder nicht länger als zehn Stunden pro Tag in der Fabrik arbeiten mußten?
Unabhängig von jedem Zeitenwandel scheint das Brauchtum zu bestehen, damit der Alltag Pause macht; ob mit oder ohne spirituelle Optionen.