Otis Redding said it, you know the blues got a soul
Queen Victoria said it, you know the blues got a soul
Well the blues had a baby and they named the baby Rock & Roll
(Muddy Waters)
In öffentlicher Wahrnehmung hat die Volkskultur ihr Hauptereignis wohl am ehesten in der Volksmusik. Das zeigte sich stark in medialer Vermittlung, wo die „Volkstümliche Musik“ Hand in Hand mit dem „Schlager“ Feste gefeiert hat, wo aber auch die „Echte Volksmusik“ ihre Sendeplätze hatte.
Diese Situation war zumindest markant, als Radio und Fernsehen noch auf die alte Art funktionierten, bevor sie in tausend Sendstationen diffusierten und im Internet ganz neue Formen der Programmgestaltung erfuhren, bevor der „Musikantenstadl“ seine erhebliche Strahlkraft verlor.
In meinen Jugendtagen gab es allerhand Abgrenzungen zum „Kommerz“ über etwas despektierliche Zuschreibungen wie „Bauern-Jazz“ oder „Steilhag-Blues“. Diese Begriffe enthalten Hinweise, welche Musikarten wir bevorzugten.
Wer sich mit traditioneller österreichischer Volksmusik (noch) nicht anfreunden wollte, konnte in den Volksmusiken anderer Länder erfreuliche Bezugspunkte finden: Countrymusic, Folkmusic, Blues; und natürlich das „Baby“ dieser Genres, Rock & Roll. So nannte es Muddy Waters in einem Song: „The Blues Had A Baby And They Named It Rock And Roll“.
Über die Leidenschaften für diese Musikrichtungen, über diverse Folk- und Bluesfestivals, kam es allerdings zu einem Freiwerden der Köpfe, was bei etlichen Leuten nicht über theoretische Zugänge, sondern über die musikalische Praxis zu einem wachen Interesse für raffinierte Formen alpenländischer Volksmusik führte.
Es waren dann Formationen wir Aniada a Noar, Broadlahn, Deishovida oder Greymalkin, die Berührungspunte mit aktiven Volksmusikanten fanden, wobei ambitionierte Laien und Autodidakten mit gut ausgebildeten Musikern — etwa aus dem Jazzbereich — zusammenkamen.
Das sind konkrete Beispiele von Leuten, die sich bewußt und kraftvoll jenen Prozessen widersetzten, in denen Medienleute sie zum Beispiel „radiotauglicher“ machen und für eine weitreichendere kommerzielle Verwertbarkeit aufbereiten wollten.
Es kommt zwar durchaus vor, daß Musiker/Musikanten dieser Genres den großen Minoritensaal in Graz mit Publikum füllen, aber zu Stadien tendieren sie nicht. Das darf man durchaus als ein kulturelles Statement deuten.
Wo ist demnach die Volksmusik angekommen? Ist das Event „Aufsteiern“ ein wesentliches Referenzsystem? Was tut sich jenseits davon? Oder sollte ich besser sagen: diesseits davon? Was sagen die Begriffe, die wir verwenden?
Ein Beispiel: Am 5.1.2016 hieß es auf der Website von Gleisdorf noch: „Im Rahmen einer Sonderausstellung widmet sich das MiR-Museum im Rathaus im Herbst 2016 (Oktober bis Dezember) dem Thema ’Volksmusik in der Oststeiermark’. Von der mündlichen Überlieferung bis zur YouTube-Generation wird die Entwicklung der Volksmusik in der Region nachgezeichnet.“ [Quelle]
Es kam dann anders. Als Beitrag zur Serie „ORF-Lange Nacht der Museen“ zeigte die Kulturabteilung „musik(er)leben – Streifzüge durch Geschichte und Gegenwart des regionalen Musiklebens“. Das Thema Volksmusik war nun in der PR-Arbeit dezent ein Stückchen nach hinten verlegt: „Im Fokus der umfangreichen Schau stehen die Entwicklung der Volksmusik in der Oststeiermark sowie die diversen Erscheinungsformen von Volksmusik im Jahres- und Lebenslauf“.
Woher diese Zurückhaltung? Konnte man in der Ausstellung erfahren, was denn nun die „Echte Volksmusik“ von der „Volkstümlichen Musik“ unterscheidet? Wurde deutlich, wie sich die „Neue Volksmusik“ oder „Volxmusik“ dazu verhält?
Gab es auch Querverweise auf das reichhaltige regionale Musikgeschehen etwa der 1970er Jahre, als vor allem Folkmusic, Jazz und Blues intensiv gespielt wurden und folglich auch Wege im Zugang zur österreichischen Volksmusik ebneten?
Immerhin war ja das erste Plattenlabel von Aniada a Noar in Gleisdorf etabliert und der Blues-Interpret Ripoff Raskolnikov wohnte hier. Das nahe Schloß Freiberg bewährte sich als ein Ereignisort, der damals dicht bespielt wurde. Das Schloß ist außerdem einige Zeit Wohnstatt für Folkies wie Peter Ratzenbeck, Hannes Urdl oder Singer-Songwriter Chuck le Monds gewesen.
Nein, all diese Teilthemen blieben in der Ausstellung ausgespart. Eine Erläuterung solcher Zusammenhänge fehlte. Man könnte sagen, Politik und Verwaltung haben diese Aufgabe an die Basis Kulturschaffender zurückgereicht. Wir müssen das selbst klären.
Das bleibt also heute zu tun: nächste Klärungen.
Vor allem auch, weil die Politik in den letzten Jahren einigen Kategorien wie Heimat, Volk, Kultur ein erhebliches Revival verpaßt hat, ohne darzulegen, was genau damit gemeint sei. Darin sind Kulturschaffende nun eventuell gefordert! Ein kleiner Vorlauf zum Thema: Volksmusik I | Volksmusik II | Volksmusik III
— [Dorf 4.0] —