Wie wünschen wir uns die Welt? Was soll das sein, Heimat? Solche und ähnliche Fragen standen 2016 bei Walking Conferences des KulturBüro Stainz zur Debatte. Nun bereitet Initiatorin Ursula Glaeser eine neue Themenserie vor und ist damit befaßt, die eingelangten Beiträge zum Thema Heimat [link] aufzuarbeiten.
Wir haben in in unseren Begegnungen mehrfach über Bildungsfragen gesprochen. Die aktuellen Umbrüche, weltweit, stellen uns genau darin vor große Herausforderungen. Ich habe ein etwas romantisches Lieblingsbild, eine bevorzugte Auffassung, wonach die Natur große Talente vollkommen beliebig verteilt, ja ausstreut.
Man weiß nie, wen es trifft, wo es einen trifft. Eine Gesellschaft sollte stets neu gerüstet sein, ausreichende Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die verstreuten Talente zur Wirkung kommen können. Polemisch verkürzt: Ansonsten ist das eine Vergeudung von Ressourcen und ein Schaden an der Volkswirtschaft.
Wer sich darunter nichts vorstellen kann, möge einmal über das Teilthema „Mädchen in der Technik“ nachdenken, denn eines ist klar, die weiblichen Talente für einschlägige Berufe sind exponentiell höher vorhanden, als dann konkret Frauen in solchen Berufen ankommen.
Als in den 1980ern innerhalb der österreichischen Musikszene ein starkes Interesse an heimischer Volksmusik entstand, wie sie denn geklungen haben mag, bevor eine Milliardenschwere Unterhaltungsindustrie das Thema aufgewühlt hat, zeigte sich die steirische Formation Broadlahn [link] musikalisch besonders raffiniert und inhaltlich anregend.
In einem von Ernst Huber geschriebenen Lied kommt ganz nebenbei vor, was ich vorhin gemeint habe. „Telegraphenpostamt“ erzählt von einem Mann, der mutmaßlich so ein ausgestreutes Talent war und keinen Weg fand, das umzusetzen.
Die Geschichte beginnt mit: „Am Telegraphenpostamt sitzt du no alleweil / wia a ausbrennta Leuchtturm da / was hast ma du net früra alles erklärt und erzöhlt.“ Wer sich vielseitig interessiere, meint der Verlorengegangene, einen weiten Horizont aufmache, könne auch „was Neu’s machen / wia in Schuastamoasta Boole sein Sohn.“
Das verweist auf den Sohn des britischen Schuhmachers John Boole, George, dessen Arbeit zur Logik als bahnbrechend gilt. „Die mathematische Analyse der Logik“ ist für Laien eher unzugänglich, aber den Begriff „Boolesche Algebra“ mag schon gehört haben, wer Mathematik sonst eher meidet.
Huber schildert im genannten Lied, wie das Talent schließlich verstummt: „Später dann bist ausdürrt und stiller wordn / die Leut habm sowieso schon gsagt, dass d komisch bist / i brauch kann Schul fia des wos ma selba einfallt / hast du gsagt.“
Bleibt also einmal mehr die Frage, ob wir in der regionalen Wissens- und Kulturarbeit zu Beiträgen fähig sind, ein geistiges Klima einzurichten und zu erhalten, in dem die außergewöhnlich Begabten nicht „ausdürren“ und verstummen müssen. Das bedarf etlicher Anstrengungen quer durchs Land…
— [Dorf 4.0] —