Dies ist formell der dritte Tag eines neuen kulturellen Vorhabens, nein, eines nächsten. Was nun als LEADER Kulturprojekt in Ludersdorf-Wilfersdorf anlief, trägt den Titel „Volkskultur 4.0: Eine Positionsbestimmung“: [link]
Es steht nicht für sich, sondern knüpft an ein 2016er-Projekt an, das in Albersdorf-Prebuch verankert war: „Landwirtschaft/Wirtschaft 4.0 und die Auswirkungen auf die Mobilität“: [link]
Das Jahr 2017 legt uns einige markante Daten vor. Es ist vom 300. Geburtstag der Herrscherin Maria Theresia die Rede, einer Habsburgerin, die seit meiner Kindheit mit ähnlich netten und unzutreffenden Legenden umwoben ist wie Kaiser Franz Josef. Geschichtsschreibung, Legendenbildung und Kulturarbeit, ein brisantes Thema!
Vor 200 Jahren wurde das Laufrad des Forstbeamten Karl von Drais präsentiert, womit die Fahrradgeschichte ihren Lauf nahm. Diese Entwicklung gilt in der Geschichtswissenschaft als eine der Konsequenzen eines enormen Vulkanausbruchs (Tambora) bei Bali, dem weltweit Mißernten und Hungersnöte folgten, die unter anderem ein großes Pferdesterben nach sich zogen; siehe „Der Kentaurische Pakt“ [link]
Es ist auch rund 200 Jahre her, daß Erzherzog Johann einige England-Reisen unternahm, um sich technische Neuerungen näher anzusehen. Dabei traf er James Watt persönlich, jenen Mann, der mit seinen Verbesserungen der Dampfmaschine die Industrialisierung maßgeblich geprägt hat. Siehe dazu „2017 hat schon begonnen“ [link]
Genau das sind einige wesentliche Zusammenhänge für Entwicklungen, welche Volkskundler Hermann Bausinger ab den 1960er Jahres als „Volkskultur in der technischen Welt“ beschrieb. Sie hat ihre bis heute aktiv gelebten Formen bei Bevölkerungsteilen, die in ihren kulturellen Ambitionen keine Zurufe von etablierten Deutungseliten entgegennehmen.
Anders ausgedrückt, vieles, was heute als „echte Volkskultur“ propagiert wird, verdankt sich als Teil des öffentlichen Kulturbetriebes den Bewahrungs- und Vermittlungsbemühungen eines Bildungsbürgertums, das formelle Situationen sucht, wie sie für die Volkskultur eher untypisch sind.
Was dagegen Menschen tun, wenn sie nach der Arbeit unter sich bleiben, kulturell aktiv werden, ohne dabei eine „offizielle Kulturpolitik“ zu bedienen, ist für gewöhnlich von ganz anderer Art; mindestens in den Bereichen der „Volkskultur in der technischen Welt“.
Außerdem hat die Volkskunde uns äußerst anregende Impulse für aktuelle kulturpolitische Aufgabenstellungen geliefert, wie – neben dem erwähnten Bausinger – etwa Dieter Kramer; siehe dazu „Quasi eine geistige Allmende“ [link]
Was also nun in Ludersdorf begonnen hat, entfaltet sich in Korrespondenz mit dem abgelaufenen Projekt in Albersdorf, das seine eigenen Folgen zeigt. All das meidet bewußt eine Musealisierung der Gegenwart und läßt nach einer zeitgemäßen Vorstellung von Volkskultur fragen.
Dabei nützt auch eine eben erschienene UNESCO-Studie von Heidrun Bichler-Ripfel, Roman Sandgruber und Maria Walcher: „Traditionelles Handwerk als immaterielles Kulturerbe und Wirtschaftsfaktor in Österreich“. Dank dieser Arbeit sind Kriterien geklärt, auf die wir uns beziehen werden.
Außerdem ist über die Kooperation mit dem Kuratorium für triviale Mythen (Kunst Ost) eine Verbindung zur Startphase des neuen Projektes „Mensch und Maschine“ gegeben, bei dem ein steirischer Wissenschafter von internationalem Rang, nämlich Hermann Maurer, eine wesentliche Rolle spielt; siehe: [link]
Mit „Volkskultur 4.0: Eine Positionsbestimmung“ werden also nun zweierlei Arten der Positionen untersucht; einerseits jene von Volkskultur auf der Höhe der Zeit, andererseits jene von kleinen Gemeinden, von Dörfern, die kein eigenes Kulturreferat haben, keinen Verwaltungsapparat, aber dennoch zeitgemäße Kulturpolitik anstreben.
— [Dorf 4.0] —